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Medikamententests in Brandenburg: Pharmatest an DDR-Bürgern auch in Potsdam

Brandenburg: Hunderte Patienten an sechs Kliniken betroffen – darunter das heutige Bergmann-Klinikum

Von Matthias Matern

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Potsdam/Berlin - Auch an Patienten aus Brandenburg wurden in der DDR Medikamente westlicher Arzneimittelhersteller getestet. Allein zwischen Anfang 1989 und Oktober 1991 wurden insgesamt zwölf sogenannte klinische Prüfungen mit zwölf verschiedenen Wirkstoffen an mehr als 300 brandenburgischen Patienten durch das Ministerium für Gesundheitwesen der ehemaligen DDR genehmigt. Alle Tests seien von Arzneimittelherstellern durchgeführt worden, die ihren Sitz außerhalb der DDR hatten, heißt es in einer Antwort des brandenburgischen Gesundheitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der CDU-Landtagsfraktion von Anfang März.

Erfolgt seien die Tests in landesweit sechs Krankenhäusern, darunter auch im damaligen Bezirkskrankenhaus Potsdam, dem heutigen Ernst-von-Bergmann-Klinikum. Außerdem seien in Cottbus, Frankfurt (Oder), Bad Saarow, den Heilstätten in Beelitz und Neuruppin Medikamente zu Testzwecken verabreicht worden, heißt es weiter. „Auftraggeber waren global aufgestellte Herstellerfirmen wie Merck, Sandoz, Bristol-Myer, Roussel-Uclaf, Merz, Ciba-Geigy, Höchst, Byk-Gulden, Boehringer Mannheim, Lipha, Knoll, Syntex. Die geplante Dauer der klinischen Prüfungen betrug vier bis 60 Wochen, dort wo der Zeitraum angegeben war“, berichtet das Gesundheitsministerium.

Die Informationen stammen den Angaben zufolge aus einem Schreiben des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes vom November 1991. Demnach habe die Behörde allen Ländern ein Liste mit insgesamt 160 klinischen Prüfungen zugesandt, die in der DDR genehmigt worden seien. Eigene Recherchen seien nicht gemacht worden, räumte das Landesgesundheitsministerium am Montag ein.

Bei den in der Liste geführten brandenburgischen Patienten handelt es sich aber wahrscheinlich nur um einen kleinen Teil der tatsächlich betroffenen Brandenburger. Dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zufolge wurden erste Test bereits in den 70er-Jahren zwischen der DDR-Führung und westlichen Pharmaunternehmen verabredet. Insgesamt sollen mindestens 50 000 Patienten in der DDR als Testpersonen gedient haben, nicht selten unwissentlich und in einigen Fällen mit tödlichem Ausgang. Bislang wurde von mehreren Tausend Betroffenen ausgegangen.

Angesichts des Ausmaßes forderten Politiker am Montag eine umfassende Aufarbeitung. „Die vorliegenden Fakten müssen rückhaltlos untersucht und die Hintergründe aufgeklärt werden“, sagte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Bergner (CDU), der „Mitteldeutschen Zeitung“. In Berlin hatte der Charité-Historiker Volker Hess bereits am Wochenende angekündigt, die Vorgänge zu untersuchen. Auf Antrag der Grünen soll sich der Bundestag zudem in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema befassen. „Bei den Medikamententests in der DDR seien offenbar ethische und rechtliche Standards systematisch unterlaufen worden“, erklärte der Parlamentsgeschäftsführer der Grünenfraktion, Volker Beck. Die Opfer müssten von den Firmen entschädigt und „ein solches Outsourcing von Medizinversuchen gesellschaftlich geächtet werden“.

Die Opposition in Brandenburgs Landtag forderte Rot-Rot am Montag auf, sich stärker an der Aufklärung zu beteiligen. „Das ist nicht befriedigend, was bisher an Aufklärung angekündigt worden ist“, so der CDU-Abgeordnete Danny Eichelbaum. Allerdings seien die Bemühungen aller neuen Länder verbesserungswürdig.

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