Brandenburg: Platte mit Potential?
Internationale Experten berieten in Cottbus über Zukunft der DDR-Neubauten / Abreißen oder Abtragen?
Stand:
Internationale Experten berieten in Cottbus über Zukunft der DDR-Neubauten / Abreißen oder Abtragen? Cottbus - Es gibt sie noch, die Leute, die in den Plattenbauten aus DDR-Zeiten Potenzial sehen. Neben denen, die noch gern in den Plattenbaugebieten der Städte und den Blöcken am Rand der Dörfer leben, sind es meist nur noch die Wohnungsunternehmen. Denen gehören die „Platten“ und sie müssen die Wohnungen darin irgendwie vermarkten. Und dann gibt es noch Stadtplaner und Architekten, die sich beruflich mit den Plattenbauten befassen. Um die Potentiale der Plattenbauten zu retten, sollten sie künftig weniger häufig abgerissen, sondern „eher partiell zurückgebaut“ werden. Das zumindest forderten Experten während einer zweitägigen Konferenz an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU). Damit könne die Platte attraktiver gestaltet werden. Einige Experten glauben gar daran, die „rückgebaute Platte“ habe dann das Potential, dass sie für Wohnungssuchende eine Alternative etwa zum Eigenheim sein könne. An der BTU berieten in dieser Woche 200 Wissenschaftler, Architekten, Planer und Vertreter von Wohnungsbaugesellschaften aus Deutschland und Osteuropa über den Umgang mit den Plattenbauten. In Ostdeutschland gehören diese zum Erscheinungsbild fast jeder Stadt. Auch nach der Wende noch als praktisch und komfortabel geschätzt, kehrten Ostdeutsche zunehmend den mit bis zu 21 Geschossen ausgestatteten Blöcken den Rücken, sagte Expertin Angelika Mettke, die die Fachgruppe Bauliches Recycling an der BTU leitet. Das liege unter anderem an demographischen Faktoren, aber auch an der Eigenheimzulage für Häuslebauer und dem manchmal wenig attraktiven Wohnumfeld. Im Moment werde wegen des teilweise hohen Leerstandes überwiegend abgerissen, kritisierte sie: „Das ist aber nicht in jedem Fall eine zukunftsfähige Lösung.“ Oftmals sei ein Rückbau etwa von acht auf vier Geschosse sinnvoller und für das Stadtbild besser als der totale Abriss. Mettke bemängelte den Umgang mit den Mitteln des Programms Stadtumbau Ost. In diesem Konzept sei ein gleichwertiges Verhältnis zwischen Abriss und Rückbau oder Aufwertung gefordert. Sie gehe davon aus, dass derzeit vielerorts zu zwei Dritteln abgerissen werde. In Brandenburg stehen von insgesamt 1,3 Millionen Wohnungen rund 165 000 leer. Viele davon in Plattenbauten. Seit 2002 sind etwa 16 000 abgerissen worden. Zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes sollen bis 2009 insgesamt etwa 50 000 Wohnungen verschwinden. Infrastrukturminister Frank Szymanski (SPD) betonte: „Wir müssen jetzt weiter den Abriss forcieren, um den Wohnungsmarkt zu stabilisieren.“ Die Aufwertung werde aber nicht zu kurz kommen. Doch Stadtplanern kommen zunehmend Zweifel, ob allein der Abriss reicht. Besonders in den Plattenbaugebieten, in denen zu DDR-Zeiten massenhaft Wohnungen in den Industrieregionen und an den Rändern der zerfallenen Innenstädte geschaffen worden war. Denn dort werden ganze Straßenzüge ausradiert oder ausgedünnt, um Platz für Parkplätze und Grünanlagen zu schaffen. Während dies in den Ballungsräumen oft noch einen Effekt hat, taugt diese Strategie etwa in den Randregionen Brandenburgs nicht. Oft würden Plattenbauten abgerissen ohne dass es Konzepte für den Stadtumbau in den unter Bevölkerungsrückgang leidenden Kommunen gebe, so Experten. „Es wird derzeit zu wenig überlegt, in welcher Form eine Stadt schrumpfen soll“, hatte etwa Professor Hans-Joachim Bürkner vom Institut für Regionalplanung in Erkner in dieser Woche im PNN-Interview gesagt. Die Kommunen müssten sich „überlegen, wie viel zerfaserte Stadtperipherie“ sie sich leisten könnten. Auch andere Regionalplaner sehen dies ähnlich und verweisen darauf, dass die Kommunen bei der Umgestaltung der Plattenbauviertel zu sehr von den Interessen der meist kommunalen Wohnungsgesellschaften geleitet seien. Bürkner fragte: „Ist es nicht besser, erst die Wohnquartiere in der Innenstadt in der Aufwertung zu bevorzugen und so kompakte Strukturen zu erhalten?“ Sein Fazit: Auf die Städte kommen neue Planungsaufgaben zu. „Es muss gezielter geplant werden.“ Die Experten in Cottbus diskutierten auch, wie die alten Stahlbetonteile weitergenutzt werden können. Einige Modelle sind bereits erprobt und teilweise auch umgesetzt worden: Für Mehrzweckhallen, im Hausbau und für Lärmschutzwände. Die Bausubstanz sei mit einem Alter von 20 bis 30 Jahren oftmals einwandfrei, machte Mettke deutlich. Dies hätten jahrelange Untersuchungen an der BTU Cottbus ergeben – auch wenn nach anderen Untersuchungen Qualität und Haltbarkeit der Neubauteile zum Ende der DDR hin wegen Materialmangels zunehmen schlechter wurde. Die BTU Cottbus hat vor gut einem Jahr ein ganz spezielles Projekt zur Verwendung von gebrauchten DDR-Platten gestartet und alte Betonteile im Hochwasserschutz eingesetzt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: