Fahrtenbuch-Affäre: Platzeck für harte Linie im Dienstwagen-Streit
Brandenburgs Finanzminister Markov bleibt hart: Spitzenpolitiker sollen für Fehler ihrer Fahrer zahlen. Am Ende muss wohl aber Brandenburg den Schaden zahlen.
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Potsdam - In der Regress-Affäre um Regierungsdienstfahrten lässt Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) langjährige Kabinettsmitstreiter im Stich. Wie aus der Antwort der Staatskanzlei auf eine PNN-Anfrage hervorgeht, gibt Platzeck seinem Finanzminister Helmuth Markov (Linke) freie Hand, um ehemalige wie aktive Minister und Staatssekretäre mit hohen Steuernachzahlungen nachträglich privat zur Kasse zu bitten. Es geht um unvollständig ausgefüllte Fahrtenbücher der Jahre 2007 bis 2011, wegen denen auf aktive und ehemalige Minister und Staatssekretäre Forderungen zwischen 10 000 und 80 000 Euro zukommen. Niemandem wird der Vorwurf gemacht, Privatfahrten als Dienstfahrten abgerechnet zu haben. Die zu laxen Vorgaben für die jetzt rückwirkend beanstandete Dokumentations-Praxis kamen nach PNN-Recherchen vom Brandenburgischen Liegenschaftsbetrieb (BLB), der dem Finanzministerium untersteht und der Dienstwagen und Fahrer stellt. Erst seit Mitte 2011 gab es eine strengere Linie. Es geht vor allem um zu ungenau bezeichnete Dienstfahrten – etwa, wenn bei Fahrten zu Festreden, Terminen mit Journalisten Gesprächspartner im Fahrtenbuch nicht genannt wurden.
Der drakonische Markov–Kurs wird inneralb der Regierung kritisiert, da das Land am Ende ohnehin für die Pannen wird zahlen müssen. Das geht selbst aus einem Gutachten hervor, das unter Beteiligung des vom Linken Volkmar Schöneburg geführten Justizministeriums für die Staatskanzlei eingeholt wurde. „Das Land Brandenburg haftet den Nutzern auf Ersatz der diesen durch Nachversteuerung entstandenen Schäden“, heißt es dort. Trotzdem verweist die Staatskanzlei in der Antwort auf die PNN-Anfrage, die ausdrücklich auf den Ministerpräsidenten, seine Bewertung des Vorgangs, seine Fürsorgepflicht sowie die Rolle der Staatskanzlei bezogen war, ausschließlich auf das Finanzministerium. „Die Mitglieder der Landesregierung führen ihre Ressorts in eigener Verantwortung“, heißt es. Verwiesen wird auf das Markov-Ministerium, das eine andere Praxis für die hohen Landesdiener als Verstoß gegen den Arbeitnehmer-Gleichbehandlungsgrundsatz im Umgang mit Fahrtenbüchern strikt ablehnt. Das Finanzministerium zieht sich darauf zurück, dass rein rechtlich die Regierungsmitglieder für die Fahrtenbücher verantwortlich seien.
Wie berichtet, drohen mehr als zwanzig frühere Minister und Staatssekretäre - und einige aktive - mit Schadenersatz-Klagen. Denn Markov lässt etwa Dienstfahrten mit personengebundenen Dienstwagen seit 2007, die in Fahrtenbüchern ohne die erst seit 2011 verlangte Auflistung von Zweck und Gesprächspartner erfolgt sind, nachträglich als Privatfahrten und damit als „geldwerten Vorteil“ werten. Die entsprechenden Meldungen an die Finanzämter werden demnächst verschickt. Jeder erhält dann neue Steuerbescheide. Jahrelange Prozesse, erst um die Bescheide, dann um Schadenersatz, sind programmiert. Eine Intervention von Ex- Staatskanzleichef Clemens Appel bei Markov, die Panne doch noch anders zu heilen, etwa durch eine nachträgliche Ergänzung der Fahrtenbücher nach den behördlich geführten Minister-Dienstkalendern, blie erfolglos. Markov bleibt hart. „Ich bedaure das sehr. Es gibt andere Rechtsanwendungen, andere Möglichkeiten“, sagte Appel, der die Proteste koordiniert.
Die rigide Auslegung könnte teuer für das Land werden. Nach vorsichtigen Schätzungen müssen Minister und Staatssekretäre insgesamt zwischen 200 000 und 400 000 Euro Lohnsteuern nachzahlen. Der Staatskanzlei zufolge erhält das Land davon aber nur 42,5 Prozent, denn 42,5 Prozent gehen an den Bund, 15 Prozent an die Kommunen. Wenn Schadenersatzforderungen fällig werden, zahlt diese aber allein das Land – ebenso wie die Prozesskosten. Thorsten Metzner
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