Von Thorsten Metzner: Platzeck ruft nach „drittem Weg“
Heftige Empörung beim CDU-Koalitionspartner / Einigkeit über Beteiligung an geplanter Banken-Rettung
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Potsdam - Die Finanzkrise hat in Brandenburg eine erste politische Nebenwirkung - eine rot-rote Annäherung. Es war Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) selbst, der in der aktuellen Landtagsdebatte am Mittwoch mit dem Ruf nach einem „dritten Weg“ zwischen Sozialismus und Kapitalismus überraschte – unter dem Beifall der Linken. Die sozialistische Planwirtschaft sei gescheitert, sagte Platzeck. „Und wir erleben gerade, dass ein entfesselter Kapitalismus ohne Leitplanken die soziale Marktwirtschaft zerstört.“ Man müsse „ernst nehmen“, wenn 52 Prozent der Ostdeutschen kein Vertrauen in die Marktwirtschaft mehr hätten, sagte Platzeck, der von einer „ernstzunehmenden Vertrauenskrise“ sprach.
Sein Auftritt sorgte für heftige Empörung beim CDU-Koalitionspartner – und führte zu einem direkten Schlagabtausch mit dem Regierungschef, den es so seit Jahren in der Potsdamer Koalition nicht gab. Im Stil einer Oppositionsführerin warf die CDU-Finanzexpertin Saskia Funck Platzeck vor, die „Systemfrage“ zu stellen, die Bevölkerung „zu verunsichern statt aufzuklären“. Dies sei der „falsche Weg“. Platzeck erwiderte kühl: „Ich habe nicht zur Revolution aufgerufen. Ich stehe auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft.“ Er erinnerte die Union daran, dass die SPD den „demokratischen Sozialismus“ im Parteiprogramm habe: „Das sollten Sie nicht vergessen, wenn Sie weiter mitregieren wollen!“
Von den Turbulenzen ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl abgesehen: Einig waren sich SPD, Linke und CDU im Landtag darin, dass sich Brandenburg an dem geplanten Banken-Rettungspaket von Bund und Ländern beteiligen wird. Auf die Wirtschaft in Brandenburg, auf die Haushalte von Land und Kommunen hat die Finanzkrise kaum direkte Auswirkungen, zumindest bisher. Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) sagte, die Auftragsbücher der Industrie seien „voll wie lange nicht“. Nach Angaben von Finanzminister Rainer Speer (SPD) gibt es bislang keine Einbrüche bei Steuereinnahmen. Er sei optimistisch, dass das Land 2008 mit einer „schwarzen Null“ abschließe und die Krise auch nicht die Jahresbilanz der Landesbank ILB beeinträchtige, die eine „konservative Anlagestrategie“ verfolgt habe, sagte Speer im Landtag. Zwar hat die ILB eine laufende 10-Millionen-Anleihe bei der zusammengebrochen US-Bank Lehmann Brothers. Doch könne die ILB den Risikovorsorgebedarf selbst abdecken. Auch bei den brandenburgischen Sparkassen sei die Lage stabil, betonte Speer.
Und das Land selbst habe bisher keine „Liquiditätsprobleme“, also keine Schwierigkeiten, auf den Finanzmärkten Geld aufzunehmen. In diesem Jahr brauche das Land 500 Millionen Euro, im nächsten Jahr 2,4 Milliarden Euro. Und Innenstaatssekretär Hans-Jürgen Hohnen wies darauf hin, dass nach bisherigen Erkenntnissen märkische Kommunen „sich nicht verzockt haben.“ Allerdings wissen alle Beteiligten, dass die unberechenbare Krise auch schnell auf Brandenburg durchschlagen kann. Der Linke-Wirtschaftsexperte Ralf Christoffers warnte: „Wir stehen vor einer Rezession. Wir müssen uns darauf einstellen.“
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