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Von Thorsten Metzner: Platzeck sondiert ernsthaft mit Linken und Union

Rennen um Rot-Rot oder Rot-Schwarz nach erster Sondierung unentschieden/Regierungschef: Entscheidung der Thüringer SPD für CDU für Mark irrelevant

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Potsdam - Manchmal sagt ein Bild mehr als jedes Wort. Erst recht, wenn Politiker nichts sagen wollen. Oder wenn sie nur Floskeln von sich geben, weil Stillschweigen vereinbart wurde. Am Donnerstag konnte man dies beobachten, als Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in der Potsdamer Staatskanzlei die ersten Sondierungsgespräche führte, zuerst mit den Linken und danach mit der CDU. Zwar ließ sich Platzeck auch danach nicht in die Karten gucken, ob er Rot-Rot wie in Berlin bevorzugt – oder der dritten Neuauflage eines SPD/CDU-Bündnisses zuneigt. Selbst die Dauer der Gespräche war mit 135 Minuten exakt gleich lang, um jedweden Spekulationen einer Präferenz nach der einen oder der anderen Seite von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Alles ist wirklich noch offen, fifty, fifty“, hieß es danach aus SPD-Kreisen.

Vorher hatte Platzeck erneut versichert, „klar an den Interessen Brandenburgs entlang“ zu verhandeln. Bundespolitik spiele für ihn keine Rolle, auch nicht die Entscheidung der Thüringer SPD, Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufzunehmen. Wenn Koalitionen in einem Land wie Brandenburg gebildet werden, geht es auch darum, ob und wie die Spitzen menschlich miteinander auskommen und umgehen. Und so war es durchaus eine Überraschung, wie gut sich Platzeck inzwischen mit Kerstin Kaiser, der Verhandlungsführerin und langjährigen Oppositionsführerin der Linken, versteht. Schon in der Körpersprache. Er begrüßte Kaiser mit flüchtigen Wangen-Küsschen, und ehe beide nach der Sondierung vor die Presse traten, rief Platzeck launig nach der „Kaiserin“. Auch Teilnehmer der Runde bestätigten, dass die beiden „einen Draht“ zueinander gefunden hätten. Das ist nur deshalb erwähnenswert, weil das nicht immer so war, das Verhältnis der beiden lange als eher unterkühlt galt, Kaiser-Auftritte im Landtag den Regierungschef schon fuchsig werden ließen. Das rot-rote Band der Sympathie mag sicherlich nur ein Nebenfaktor im Regierungspoker sein. Aber dass der als Harmonityp geltende Platzeck darauf achtet, spielt durchaus eine Rolle.

Und es fiel schon auf, dass die Begrüßung der fünfköpfigen CDU-Delegation, die von Landeschefin und Wissenschaftsministerin Johanna Wanka angeführt wurde, kühler ausfiel. Wanka, die etwas angespannt wirkte, wollte sich nicht zu Erwartungen äußern. In der Union hatten „unverhandelbare“ Vorbedingungen der SPD für erheblichen Unmut gesorgt. Auch nach der Sondierung ging der gemeinsame Auftritt mit Platzeck eher förmlich-zügig über die Bühne. „Wir haben über die Zukunft des Landes gesprochen. Haushalt war ein wichtiges Thema“, verkündete Platzeck, Wanka blieb nur die Rolle der Bestätigerin. Ist beim Mindestlohn, gegen den sich die Union bislang sträubte, ein Kompromiss in Sicht? Da huschte ein vielsagendes Lächeln über die Lippen.

Es wird also weiter gepokert, wirklich gepokert um Rot-Rot oder Rot–Schwarz, anders als vor fünf Jahren. Inhaltlich war das Gespräch mit den Linken dem Vernehmen nach kein Vergleich zu den Sondierungen nach der Landtagswahl 2004, als zwischen beiden Parteien Eiszeit herrschte. Damals stand nach dem aufgeheizten Anti-Hartz-Wahlkampf der Linken von vornherein fest, dass es kein Rot-Rot geben wird. Kaiser beschrieb die Annäherung so: „Wir treffen uns am Montag wieder. Es hätte auch anders sein können.“ Und es klang so, als ob einige der Linken selbst überrascht davon waren, dass die Sozialdemokraten es diesmal wirklich ernst meinen. Rot-Rot, so scheint es, ist möglich. Von vornherein unüberbrückbare Hindernisse gibt es nicht, hieß es auf beiden Seiten. In der Bildungspolitik waren sich SPD und Linke schon vorher nahe, Reibungspunkte gibt es dem Vernehmen nach in der Energie- und in der Finanzpolitik, etwa mit der langfristigen Personalplanung des Landes, wo die SPD auf einen stärkeren Stellen-Abbau drängt.

Ja, der Umgang mit immer knapperen Kassen, das schälte sich beim Auftakt der Sondierungen am Donnerstag heraus, wird ein maßgebliches Kriterium der SPD für die Wahl des Koalitionspartners. Finanzminister Rainer Speer (SPD) verteilte an die Linken und an die CDU erste Papiere über das Miliardenloch, das sich vor allem infolge des Konjunktureinbruchs im Haushalt 2010 auftut. Übers Wochenende sollen quasi alle Hausaufgaben machen, ehe man sich am Montag wiedertrifft, erst mit den Linken, dann mit der Union, die sich beim Sparwillen als zehnjähriger Regierungspartner im Vorteil sieht. Ist es einer? In ihren Wahlprogrammen haben Linke und CDU die SPD übertrumpft, etwa bei der Forderung nach mehr Lehrern oder Kita–Erziehern. Am Montag wird weiter sondiert.

Noch ist Matthias Platzeck unentschieden, mit wem er eine stabile, tragfähige Regierung bilden kann.

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