zum Hauptinhalt

Von Thorsten Metzner: Platzeck-SPD zittert um Schüler-Bafög

Auf einer Anhörung im Landtag wurde der Gesetzentwurf von allen zerpflückt – mit einer Ausnahme

Stand:

Potsdam - Es geht um das Wort von Matthias Platzeck: Das neue „Schüler-Bafög“, das Brandenburg als erstes Bundesland an Oberstufenschüler aus ärmeren Familien zahlen will, wird zu einer Zitterpartie für den SPD–Regierungschef und seine rot-rote Koalition. Auf einer Anhörung im Landtag wurde das Prestigeprojekt der Sozialdemokraten – es war ihr zentrales Wahlversprechen – am Donnerstag zerpflückt wie selten zuvor ein Gesetzentwurf im Land. Da nur wenige Monate vor der Einführung zentrale Probleme nicht geklärt sind, drängen neben den kommunalen Spitzenverbänden nunmehr selbst die Linken intern auf eine Verschiebung. Krach in der Koalition vor der Verabschiedung im Landtag im Juni ist programmiert.

So warnte Peter-Paul Humpert, der Präsident des Landkreistages, vor einem „fulminanten Fehlstart“, so gut das Anliegen an sich auch sei. Eigentlich soll das Schüler-Bafög von je nach Elterneinkommen 50 oder 100 Euro monatlich, das bedürftige Abiturschüler pauschal für „Bildungszwecke“ erhalten sollen, nach den Sommerferien an die ersten 3500 Elftklässler ausgezahlt werden. Doch die Software werde „erst im September fertig“ sein, es gebe keine Formulare, „frühestens im November“ seien Bewilligungen möglich, so Humpert. So schaffe man Frust.

Das Hauptproblem besteht nach einhelliger Auffassung darin, ob das Geld überhaupt an die wichtigste Zielgruppe gezahlt werden darf, nämlich an Kinder aus ärmsten Elternhäusern. Nach wie vor unklar ist, ob das Schüler-Bafög künftig mit dem Arbeitslosengeld II verrechnet wird, das der Bund nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts voraussichtlich zum Jahreswechsel neu regeln wird. „Es wäre schwer erklärbar, dass Kinder erst Geld bekommen, aber nach wenigen Monaten wieder rausfliegen“, sagte Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Es sei besser, erst die Regelungen des Bundes abzuwarten. Bildungsstaatsekretär Burkhard Jungkamp hielt dagegen, dass es in drei von vier Fällen nicht um Transferbezieher, sondern um Familien mit geringen Einkommen – unter 2500 Euro netto – gehe. Sollte es ein Anrechnungsproblem geben, werde man eine andere Lösung für die betroffenen Jugendlichen finden.

Aber selbst bildungspolitisch steht die SPD weitgehend allein. So richtig will das Schüler-Bafög sonst niemand. Die Linken haben Bedenken aus Koalitionsräson zurückgestellt. Auch Berlin zieht nicht mit. Das Ziel, mehr Kinder für einen Abiturweg zu gewinnen, werde nicht erreicht, sagte Günther Fuchs, Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: „Man muss an den Grundschulen anfangen.“ In dieser Zeit entscheide sich, ob ein Kind auf eine weiterführende Schule wechsle. „Es kommt auf den Anfang an.“ Der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht es ähnlich, der Landeselternrat ist uneins. Selbst der Landesschülerrat wandte sich gegen das Schüler-Bafög: Es sei „naiv“, dass es für Bildungszwecke ausgegeben werde, sagte Cathleen Haack. Man solle lieber den Schulsozialfonds für Härtefälle auf die Oberstufe ausdehnen oder „uneingeschränkte Lehrmittelfreiheit“, also kostenlose Schulbücher, gewährleisten.

Ein glühendes Plädoyer gab es aber doch, von Ingo Müller, Schulleiter einer Potsdamer Gesamtschule. Es werde sozial Schwachen helfen, „sich mal ein GEO-Wissen zu leisten oder vor dem Abitur weniger jobben zu müssen“. Das Geld sei „in guten Händen“. Müller warb mit eindrücklichen Praxis-Schilderungen um „geschlossene“ Zustimmung des Landtages. Für die Opposition hatte sein Auftritt einen Haken: Müller wird ab Sommer Büroleiter von Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })