Von Thorsten Metzner: Platzeck will Gemeindereform
Nach Speer-Affäre demonstrierte Regierungschef im Landtag Führungs- und Reformwillen Haushaltsdebatte wurde zur Generalauseinandersetzung/CDU-Chefin Ludwig: „Landesvater ist nackt.“
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Potsdam - Es klang wie eine Regierungserklärung, die erste nach der Affäre um seinen Ex-Minister Rainer Speer: Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat am Freitag im Landtag einen tiefgreifenden Umbau Brandenburgs angekündigt. Nach der Polizeireform sollen nach seinen Worten nun „mit Augenmaß“ auch die Gemeindestrukturen „zeitgemäß“ organisiert werden. Das Prinzip „Stärken stärken“, nach dem die Förderpolitik gestrafft wurde, „werden wir auf andere Bereiche ausdehnen müssen“, sagte Platzeck im Plenum, ehe der 10-Milliarden-Etat für 2011 mit rot-roter Mehrheit verabschiedet wurde. Dem Ministerpräsidenten war der Auftritt so wichtig, dass er persönlich – und nicht wie üblich Finanzminister Helmuth Markov (Linke) – in der Haushaltsdebatte für die Regierung das Wort ergriff. Und zwar auch in eigener Sache.
Zunächst sah sich Platzeck offenkundig veranlasst, im Parlament persönlich dem in den letzten Wochen entstandenen Eindruck von Schwäche und Amtsmüdigkeit, aber auch Mutmaßungen über seine Konstitution offen entgegenzutreten. Unter ausdrücklichem Verweis auf den Gesundheitszustand hatte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel zuvor öffentlich erklärt, niemand wisse, wie lange Platzeck noch regiere. Die Aussagen hatten in den rot-roten Reihen für Entrüstung gesorgt, überschatteten die Haushaltsdebatte. Über den Gesundheitszustand eines Kollegen öffentliche Bemerkungen zu machen, „sei das Letzte“, sagte Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser. Im Landtag relativierte Vogel seine Worte. Platzeck sei der gewählte Ministerpräsident, „ich sehe aktuell keine Alternative zu ihm. Dass heißt nicht, dass er von Kritik verschont bleiben kann“. Es sei gut, dass Platzeck im Fall Speer die Notbremse gezogen habe.
CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig wiederum hatte Platzeck vorgehalten, mit einer „Politik von gestern“ am Ende zu sein. „Hochmut kommt vor dem Fall“. Ludwig warf der Regierung Konzeptionslosigkeit, fehlenden Sparwillen und Untätigkeit etwa im Umgang mit überfluten Feldern und Kellern im Oderbruch vor, sprach von „kontrollierter Verwilderung.“ Die Brandenburger schauten inzwischen genauer hin und merkten, so Ludwigs Fazit, „der Landesvater ist nackt. Er hat es nur noch nicht gemerkt.“
Die Reaktion Platzecks, der als letzter sprach, auf derlei Anwürfe fiel ironisch-sarkastisch aus. An Vogel gewandt erklärte er: „Ich freue mich über jede Sorge um meine Gesundheit, um meine Sensibilität, die ich mir nach 20 Jahren in der Exekutive bewahrt habe“. Er bot dem Grünen-Fraktionschef ein Match an. „Wir laufen beide mal 5000 Meter und messen dann den Puls!“ Ludwig wurde von Platzeck aufgefordert, mit der „hilflosen“ CDU-Oppositionsstrategie weiterzumachen, „je länger, desto besser für uns“, wie sich im anhaltend schlechten Abschneiden der Union in Umfragen zeige.
Auch 2014 werde es keine schwarze Regierung in Brandenburg geben, sagte Platzeck. Am Dienstag hatte er in der SPD-Fraktion bekräftigt, 2014 wieder als Spitzenkandidat anzutreten. Haushalt 2011, Rettung des Schüler-BAföGs und die Polizeireform zeigten, dass die rot-rote Koalition „handlungsfähig sei“, sagte Platzeck. Es war die Botschaft eines Regierungschefs, der wieder Tritt zu fassen versucht, die Speer–Affäre abschütteln will. Am Mittwochabend hatte sich Platzeck bereits auf einem Empfang der „Lausitzer Rundschau“ bemüht, entstandene Irritationen im Verhältnis zur Presse – nach der Ausgrenzung von Medien – bei der gemeinsamen Abgangspressekonferenz mit Speer zu glätten. Niemand wolle „Hofberichterstattung“, sagte er dort. Bei Irritationen müsse man darüber reden, Schlussfolgerungen ziehen, öffentliche Kritik von Medien sei nötig.
Eins fiel auf, in der Generaldebatte um die aktuelle Lage, den rot-roten Haushalt, die politische Kultur und nötige Reformen im Land: FDP-Fraktionschef Andreas Büttner vermied jeden persönlichen Angriff auf den Regierungschef, kritisierte dessen Finanzpolitik aber ebenso hart: Es fehle „Konsolidierungswille.“
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