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Chaos. Der Blick durch den Personaleingang zeigt, dass abgestürzte Balken, Platten und Strebungen den Innenraum des Marktes füllen. Der Filialleiter überlebte dennoch unverletzt.

© dpa

Von Claus-Dieter Steyer: Plötzlich krachte das Dach herunter

Kurz nach Ladenschluss stürzte in Falkensee ein Supermarkt zusammen / Warum, ist noch völlig unklar

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Falkensee - Nur mit viel Glück sind Angestellte und Kunden eines Supermarktes in Falkensee (Havelland) am späten Dienstagabend einer Katastrophe entgangen. Nur 20 Minuten nach Geschäftsschluss stürzte das etwa 1 000 Quadratmeter große Dach gegen 22.20 Uhr ins Innere des Verkaufsraumes. „Es hätte mit Sicherheit Tote und Verletzte gegeben“, sagte der fassungslos wirkende Bürgermeister Heiko Müller (SPD) nach einem ersten Blick in den zerstörten Markt. „Überall hängen Holzbalken kreuz und quer von der Decke. Dazwischen liegen Dachziegel und Schutt.“ Einige lange Kanthölzer fielen zu Boden, andere hängen kurz über dem Erdboden. „Wir können wirklich von einem großen Wunder sprechen, dass niemand verletzt wurde“, meinte Müller. Bausachverständige nahmen gestern die Ermittlungen auf. Am Wetter hat der Einsturz jedenfalls nicht gelegen. Es hat in Falkensee in den zurückliegenden Wochen weder stark geregnet, noch heftig gestürmt.

Nur wenige Augenblicke vor dem Unglück verließen zwei Mitarbeiter des vom Handelskonzern Rewe betriebenen Geschäftes den Ausgangsbereich, um in den Feierabend zu starten. Als die Dachkonstruktion mit lautem Getöse zu Boden fiel, brachten sie sich zunächst in Sicherheit, um dann sofort die Feuerwehr zu rufen. „Unser Chef ist noch drin“, meldeten die jungen Leute. Die nach sechs Minuten eingetroffene Feuerwehr schickte sofort zwei Spezialisten in die Trümmerwüste. „Wir riefen den Namen des Vermissten, der schließlich auch antwortete“, erinnerte sich der Einsatzleiter der Freiwilligen Feuerwehr, Frank Christ. „Zum Glück hatte sich der noch mit der Abrechnung beschäftigte Marktleiter hinter einer Brandmauer in Sicherheit bringen können.“ Mit einem Spezialschlüssel wurde die Hintertür geöffnet, um den Mann zu befreien. „Ich sah die Decke direkt auf mich zukommen und konnte mich im letzten Augenblick retten“, erzählte Marktleiter Jürgen R. Mehr Einzelheiten durfte er auf Geheiß der Rewe-Gruppe nicht verraten.

Für das Unternehmen ist der Dacheinsturz ein „bedauerlicher Einzelfall“, wie Pressesprecher Stefan Mechnig erklärte. „Wir warten die Untersuchungen der Bausachverständigen ab und sehen derzeit keine Veranlassung, andere Märkte in Deutschland wegen eines Sicherheitsrisikos zu sperren.“ In den einzelnen Einkaufszentren gebe es erhebliche Unterschiede, so dass man nicht von „baugleichen Typen“ sprechen könne. Rewe sei froh, dass das Unglück so glimpflich verlaufen sei. Wie überall wäre das Unternehmen auch in Falkensee nur Pächter der Supermärkte. Alle statischen Kontrollen verliefen unter Kontrolle des Eigentümers, zu dem man schon Kontakt aufgenommen habe.

Das Einkaufszentrum war laut Stadtverewaltung erst vor fünf Jahren errichtet worden. Den Rewe-Markt betreibt der Lebesmittelhandelskonzern nach eigenen Angaben nicht selbts, sondern ein Franchise-Unternehmer.

Alle stehen vor einem großen Rätsel“, sagte die zuständige Leiterin bei der Herkules Grundbesitz AG in Hamburg, Kirsten Wulff, der Nachrichtenagentur dpa. Das Unternehmen verwaltet den Supermarkt und angrenzende Märkte. Erst 2007 seien die Dächer von Rewe und dem benachbarten Aldi-Markt untersucht und für gut befunden worden. Das Unternehmen habe den Besitzer, einen dänischen Immobilienfonds, informiert. „Wir sind alle glücklich, dass keine Personen zu Schaden kamen“, so Herkules-Chefin Wulff.   Der Handelskonzern Rewe erlärte, er erwarte vom Vermieter Aufklärung über die Ursachen.

In Falkensee bleibt das Einkaufszentrum Akazienhof mit dem eingestürzten Rewe-Markt wohl noch lange Zeit zumindest teilweise gesperrt. „Ich habe so etwas noch nicht gesehen, dass ein Dach so in sich zusammenstürzt“, sagte Falkensees Baudezernent Harald Höhlig. Mehrere Läden, die zum Teil in gleicher Bauweise wie das Unglücksgeschäft errichtet worden seien, blieben erst einmal geschlossen, sagte Bürgermeister Müller. Gleich neben Rewe steht ein baugleicher Aldi-Markt. Dort brannte gestern im Unterschied zum eingestürzten Rewe-Laden noch Licht. „Das Unglück kappte hier die ganze Elektro-Versorgung“, hieß es von der Feuerwehr. „Außerdem setzte eine gebrochene Wasserleitung den Boden unter Wasser.“ Die Ware sei ohnehin verdorben, weil sämtliche Kühlaggregate nicht mehr laufen.

Für Falkensees Bürgermeister kommen nach Rücksprache mit Bau-Experten nur drei Ursachen für die Beinahe-Katastrophe infrage: „Entweder haben die Architekten versagt“, sagte Heiko Müller. „Oder die Zusammenarbeit mit der Baufirma stimmte nicht oder beim Bau wurde das falsche Material verwendet.“ Unter Architekten gilt bei Tragwerken wie einem Dach eigentlich das Vier-Augen-Prinzip. Ein Statiker prüfe die Arbeit eines anderen Statikers, um Pfusch am Bau auszuschließen. (mit pet und dpa)

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