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Brandenburg: Plötzlich war die Oberstufe weg

Erst nach den Ferien erfuhren Elftklässler in Storkow und Ziesar, dass sie die Schule wechseln müssen

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Potsdam - Die Entvölkerung der berlinfernen Regionen führt zu weiteren Verwerfungen im Brandenburger Bildungssystem: Zum Schuljahr 2007/2008 wurden an acht Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe im Land die 11. Klassen gestrichen, wogegen insbesondere in Ziesar, Lychen oder Storkow die Widerstände wachsen. Der Fall Storkow wird zum Politikum: Dort ist die deutsch-polnische Europaschule vom Veto des Bildungsministeriums betroffen, das mit zu geringen Abmeldezahlen begründet wird. Nun ist offen, ob 12 polnische Gastschüler, die seit Jahren hier lernen, das Abitur überhaupt noch in Deutschland ablegen können.

Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) will kurzfristig dennoch keine Ausnahmen zulassen. „Ich habe zwar nicht die Absicht, mich als eiserner Rupprecht zu profilieren“, sagte er gestern den PNN. Aber geltende Regeln müssten eingehalten werden. Sonst gäbe es Präzedenzfälle und keine Verlässlichkeit im Land. Allerdings will er auch auf Druck der SPD-Landtagsfraktion zum nächsten Schuljahr zumindest sichern, dass 10. Klässler vor Ferienbeginn – und nicht erst wie in Storkow oder Ziesar – am Ende der Ferien erfahren, dass es an ihrer Schule plötzlich keine Abiturausbildung mehr gibt und sie stattdessen lange Schulwege in Kauf nehmen müssen.

Hintergrund die wegen des „Geburtenknicks“ nach 1990 dramatisch zurückgehenden Schülerzahlen, die jetzt die weiterführenden Schulen erreichen. Es seien die Geburtsjahrgänge um 1993, „als Brandenburg weltweit fast die geringste Geburtenrate hatte“, erklärt SPD-Fraktionschef Günter Baaske. „Nur im Vatikan war sie damals noch geringer.“

Nach den bisherigen Vorschriften des Bildungsministeriums dürfen weiterführende Schulen aber nur dann neue 11. Klassen einrichten, wenn es am letzten Schultag vor den Ferien dafür mindestens 60 Anmeldungen gab, von denen am 1. Schultag mindesten 50 tatsächlich zum Unterricht erscheinen. Die Differenz erklärt sich laut Rupprecht damit, dass sich während der Ferien viele Zehntklässler doch zur Aufnahme einer Lehre statt der Abi-Laufbahn entscheiden. In Storkow aber waren es am 1.Schultag nur 46 Anmeldungen, vier weniger als vorgeschrieben. In Ziesar wurde die 11. Klasse gestrichen, weil sich am letzten Schultag nur 59 Schüler angemeldet hatten – einer weniger als vorgeschrieben. Deshalb fordern PDS-Opposition, aber auch der CDU-Koalitionspartner mittlerweile ein flexibleres Herangehen. Insbesondere das Aus für Storkow sei wegen der Benachteiligung der Schüler aus Polen ein „verheerendes politisches Signal“, sagt Gerrit Große, die PDS-Bildungsexpertin. Rupprecht hingegen versichert, dass den polnischen Gastschülern „ein Alternativangebot gemacht werden soll, das Abitur in Deutschland abzulegen.“ Ob dies Realität wird, ist aber zweifelhaft. So hat das Ministerium den polnischen Schülern, die bei deutschen Gastfamilien leben, den Besuch des privaten Gymnasiums in Neuzelle vorgeschlagen. Ob die polnischen Familien dafür das nötige Schulgeld aufbringen können, ist jedoch fraglich. Der Frust vor Ort wird um so größer, weil Rupprecht bereits angekündigt hat, dass ab Schuljahr 2009/2010 Abitur-Klassen auch mit geringeren Frequenzen von 40 Anmeldungen genehmigt werden sollen. Rupprecht selbst sieht darin keinen Widerspruch: Bei den heutigen Streitfällen wie Storkow oder Ziesar sei klar, dass die beiden Schulen wegen weiter einbrechender Schülerzahlen diese 40-Schüler-Grenze deutlich verfehlen werden.

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