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Neuruppiner Polizeieinsatz: Polizeieinsatz belastet Koalition
Der Streit um den Polizeieinsatz bei der Sitzblockade gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Neuruppin hat nun die Landesregierung erreicht. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) wies Kritik zurück und kündigte eine sorgfältige Auswertung an.
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Potsdam - Das Vorgehen von Polizeieinheiten gegen Demonstranten am vergangenen Samstag in Neuruppin belastet das Koalitionsklima in Potsdam. Die Fraktionschefin der Partei die Linken, Kerstin Kaiser, bewertete den Einsatz als „verheerendes politisches Signal“. Zusammen mit der Linke-Bundestagsabgeordneten Kerstin Tackmann, die in Neuruppin vor Ort war , kritisierte Kaiser am Dienstag scharf die Einsatztaktik der Polizei gegenüber Demonstranten, die mit einer Sitzblockade einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD behindern wollten. „Wir sind nicht bereit, so etwas mitzutragen“, sagte Kaiser mit Blick auf den Koalitionspartner SPD, der mit Innenminister Dietmar Woidke den zuständigen Ressortchef stellt.
Dieser hatte gestern das Vorgehen der Polizei verteidigt. „Die Polizei muss Recht und Gesetz durchsetzen. In diesem Fall ging es um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Dieses Recht steht nach dem Grundgesetz auch jenen politischen Kräften zu, die von der freiheitlichen Demokratie nichts halten“, sagte Woidke. Die Auflösung der Sitzblockade sei vor diesem Hintergrund „gerechtfertigt“ gewesen. Zugleich kündigte Woidke an, dass der Polizeieinsatz sorgfältig ausgewertet werde: „Ich habe den Polizeipräsidenten gebeten, allen Hinweisen und Kritikpunkten umfassend nachzugehen“, berichtete der Innenminister.
Deutliche Kritik an der Polizeiführung kam auch vom Fraktionschef der Grünen, Axel Vogel. Vogel gehörte zu denen, die gegen den Aufzug der NPD gerichtete Demonstration angemeldet hatten und war ebenfalls in Neuruppin. Er zeigte sich überrascht von dem Vorgehen der Polizei, das sich nach seinen Angaben deutlich unterschied von der bisherigen Praxis. Auch der FDP-Fraktionschef Andreas Büttner, selbst Polizeibeamter, sagte, der Einsatz lasse viele Fragen offen. So könne er sich nicht erklären, warum nach den ihm vorliegenden Berichten weit über einhundert Teilnehmer der Gegendemonstration über Stunden hinweg von der Polizei eingekesselt worden seien. Ein derartiges Vorgehen dürfte, so Büttner, den Vorgaben des Verfassungsgerichts widersprechen. Lediglich die CDU-Vorsitzende Saskia Ludwig verteidigte die Ordnungshüter. Der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Ralf Holzschuher, bezeichnete die kritischen Fragen ebenfalls als berechtigt. Er sagte: „Die SPD-Fraktion hat sich in der heutigen Fraktionssitzung klar dafür ausgesprochen, die kritischen Fragen an die Polizei zeitnah zu klären.“
Bisher zählten mehr oder weniger spontane Versuche, Aufmärsche von Rechtsextremen wenigstens zu erschweren, zum Standardrepertoire insbesondere der SPD und der Linken. So war dies zum Teil unter Beteiligung von führenden Politikern in Halbe (Dahme-Spreewald ) aber auch im Sommer in Neuruppin gelungen. In so fern hat das rigide Verhalten der Polizei die etwa 500 Teilnehmer zählende Gegenkundgebung am letzten Samstag völlig überrascht. Vogel und andere Verantwortliche rechneten vielmehr damit, dass die Polizei die NPD um die spontan organisierte Sitzblockade herumleiten würde. Im Vorfeld des NPD-Aufmarsches, an dem sich etwa 150 Rechtsextremisten beteiligten, hatte allerdings die Staatsanwaltschaft Neuruppin in einer Presseerklärung erkennen lassen, dass sie gewillt ist, Gegendemonstranten zu belangen.
In wie weit die Staatsanwaltschaft damit letztlich Verantwortung trägt für den Ablauf des Einsatzes, war am Dienstag nicht genauer zu erkunden. Ein Staatsanwalt war allerdings vor Ort. Der Polizeieinsatz wird jetzt auch im Plenum des Landtags beraten werden. Und auch die Grünen haben angekündigt, auf eine lückenlose Aufklärung in den zuständigen Parlamentsausschüssen zu drängen.
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