Brandenburg: Potenzial Zuwanderung
Brandenburgs Integrationsbeauftragte Karin Weiss sieht positiven Effekt von Migration
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Potsdam – Die öffentliche Wahrnehmung von Zuwanderern ist in Brandenburg nach Ansicht von Brandenburgs Integrationsbeauftragten Karin Weiss denkbar negativ. „Das Bild entspricht kaum der Realität, die Chancen und der Nutzen von Zuwanderung werden verkannt“, sagte sie in dieser Woche auf einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema „Gleichheit heute“ im Potsdamer Kutschstall. Immigranten würden in erster Linie als Konkurrenz, Problem und Belastung gesehen. Der „ökonomische Mehrwert“ von Zuwanderern werde in der Öffentlichkeit hingegen nicht erkannt.
Im Kontrast zu dem negativen Bild der Zuwanderer würden die Bildungswege der Immigrantenkinder stehen. Rund 70 Prozent der Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion seien Akademiker. Entsprechend hoch sei der Anteil der Gymnasiasten unter ihren Kindern. Auch die Vietnamesen, Polen und Spätaussiedler würden großen Wert auf eine gute Schulausbildung ihrer Kinder legen. „Die Bildungswege ausländischer Jugendlicher in den neuen Bundesländern unterscheiden sich stark von der Situation in Westdeutschland“, sagte Weiss. Im Osten verzeichne man einen positiven Trend.
In Brandenburg leben nach Angaben der Integrationsbeauftragten rund sechs Prozent Menschen mit Migrationshintergrund. 17 Prozent dieser Personen seien bereits in Deutschland geboren. „Die meisten Einwanderer wurden zugewiesen, da es eine Arbeitsmigration nicht gab“, erklärte Weiss. So treffe man in Städten wie Frankfurt/Oder und Cottbus auf eine höhere Zahl an Migranten, in Potsdam hingegen seien es weniger. Die größte Gruppe unter den Ausländern in Brandenburg machen laut einer Statistik des Landesamtes für Datenverarbeitung mit zehn Prozent die Polen aus, gefolgt von 7,9 Prozent Vietnamesen, 6,5 Prozent Russen, 5,9 Prozent Ukrainern und 2,9 Prozent Türken. Der Rest teile sich auf verschiedene Nationen auf.
Der Begriff von Parallelgesellschaften laufe in Brandenburg ins Leere. Trotzdem bestünden in der Bevölkerung Ängste in diesem Zusammenhang. So sei in einem kleinen Ort ein Jugendchor von Spätaussiedlern abgelehnt worden, weil man befürchtete, dass sich eine Parallelgesellschaft bilde.
Zum Thema Fremdenfeindlichkeit sagte Weiss, dass es massive gewalttätig Übergriffe auf Ausländer in Ostdeutschland erst nach der Wende gegeben habe. Dennoch habe schon zu DDR-Zeiten eine Fremdenfeindlichkeit existiert. „Diese war breit gestreut und nicht nur bei negativ eingestellten Jugendlichen anzutreffen“, sagte Weiss. Stasi-Akten würden deutlich die Ablehnung von Ausländern in der Bevölkerung zeigen.
Ein Ende von Debatten über Ausländerenklaven und -gettos in Deutschland forderte auf der Böll-Tagung Karen Schönwälder vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). „Das sind Scheindebatten, die vom eigentlichen Problem, einer dramatischen sozialen Benachteiligung von Ausländern vor allem in Westdeutschland ablenken“, sagte sie. Diese soziale Diskrepanz, etwa im Bildungsbereich, könnte in Zukunft zu großen Problemen führen. Die rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund würden in Deutschland meist in Großstädten leben, auf verschiedene Zentren verteilt. Schönwälder kam in Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass in Deutschland Ausländer und Einheimische meist zusammen in Stadtvierteln leben. Es gebe kaum ein Viertel, in dem mehr als ein drittel Ausländer wohne. Zudem seien auch diese Viertel gemischt: „Es gibt keine rein italienischen, russischen oder türkischen Viertel“, so die Sozialforscherin. Selbst in der „türkischen Hochburg“ Berlin würden nur 6,8 Prozent Türken leben.
Auch könne man nicht von einer Abschottung der Einwanderer sprechen, der Großteil der Immigrantenkinder pflege Freundschaften zu Deutschen. Ein negativer Zusammenhang bestehe allerdings bei den Themen Schule und Arbeitsplätze. Zum Einstieg in den Arbeitsmarkt würden Einwanderern meist die Kontakte fehlen. In Schulklassen mit einem Ausländeranteil von über 30 Prozent seien Sprachentwicklung und Lernleistung schlecht. Hinzu komme, dass Ausländer meist in Stadtvierteln mit hohem Anteil sozial schwacher Bevölkerung leben würden. Hier seien Infrastruktur und Schulsituation oft schlecht. „Das eigentliche Problem ist nicht die Abschottung von Ausländern sondern ein soziales Ungleichgewicht“, so Schönwälder. Jan Kixmüller
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