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Brandenburg: Potsdamer Selbstblockade

Thorsten Metzner

Stand:

Was für eine Aufregung. Günther Jauch rechnet mit dem Potsdamer Amtsschimmel ab. Aufgrund einschlägiger Erfahrungen attestiert der beliebte Fernsehmoderator und Mäzen, der seiner Wahlheimat unter anderem das Fortuna-Portal geschenkt hat, der örtlichen Bau- und Denkmalschutzbehörde schikanöse Willkür: Man kusche bei „Rambo-Bauherren“, quäle aber behutsame Denkmalsanierer mit überzogenen Auflagen. Dass das ausgerechnet vom Potsdamer Lieblingspromi zu hören ist, mit dem die Stadt so gern wirbt, verstärkt die Wirkung noch. Kein Wunder, dass Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) die Flucht nach vorn antritt und Missstände eingesteht. Er will jetzt prüfen lassen, ob Sachbearbeiter gegenüber dem Prominenten die „Puppen tanzen“ lassen wollten. Ein Einzelfall?

Zu schön, pardon, Herr Jauch, wenn es so wäre. Man lässt in der Potsdamer Bau- und Denkmalbehörde eben nicht „nur“ gegenüber dem TV-Liebling die Puppen tanzen. Es steckt System dahinter. Genauer: Eine in den Amtsstuben der einstigen preußischen und sozialistischen Obrigkeitsstadt Potsdam besonders ausgeprägte Abwehrmentalität. Die berechtigten Klagen über die hiesige Baubürokratie sind ja alt. Schon Matthias Platzeck, Jakobs Vorgänger im Rathaus, wollte damit aufräumen – ohne Erfolg. Jauchs Abrechnung offenbart, dass sich fast nichts geändert hat. Man darf zudem daran erinnern, dass sich Jauch zehn Jahre mit öffentlicher Kritik am lokalen Klein-klein zurückhielt, dass er seine Autorität eben nicht ausnutzte für private Interessen, dass er die Missstände erst jetzt öffentlich anprangert, nachdem seine Denkmale saniert sind und das Stadtbild verschönen. Aber wenn schon ein Prominenter – ganz nebenbei: auch noch einer ohne Promiallüren – solche Erfahrungen macht: Wie ergeht es dann erst dem „Normalo“-Bauherren? Wer in Potsdam ein altes Haus rekonstruiert, kann Horrorgeschichten erzählen. Viele schweigen lieber.

Die Ursachen für das Potsdamer Dilemma liegen tiefer, in Mentalitäten und Strukturen. Es gibt ein eigenartiges Missverhältnis zwischen dem Aufschwung der Stadt und seinen im alten Trott und Kleingeist verharrenden kommunalpolitischen Institutionen. Potsdam ist eine der wenigen Wohlstandsinseln inmitten brandenburgischer, ja ostdeutscher Armutsregionen. Gerade ringt man um den bundesweiten Ehrentitel: „Stadt der Wissenschaften“, im Rennen sind nur noch Jena und Potsdam. Während anderswo Landstriche veröden, siedeln sich junge Familien und Firmen an. Cottbus oder Brandenburg an der Havel könnten sich einen rüden Umgang mit Bauherren a la Potsdam gar nicht leisten. Aber was will man von einer Bau-Verwaltung erwarten, wenn selbst das vorgesetzte Kommunalparlament drei Anläufe braucht, um den Bau eines vom Land geschenkten Parlamentsgebäudes zu beschließen? Oberbürgermeister Jann Jakobs, so redlich er sich müht, ist Gefangener einer verkrusteten Verwaltung und einer kaum beherrschbaren Stadtverordnetenversammlung. Brandenburgs Hauptstadt bleibt unter ihren Möglichkeiten – durch Selbstblockaden.

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