zum Hauptinhalt

Brandenburg: Privatreisen aus Müllgebühren finanziert?

Entsorgungsunternehmen soll dem Ordnungsdezernenten von Ostprignitz-Ruppin Flüge nach Kiew als Dienstreisen bezahlt haben

Stand:

Neuruppin - Gegen den Ordnungsdezernenten des Landkreises Ostprignitz-Ruppin wird wegen des Verdachts ermittelt, jahrelang auf Kosten eines regionalen Müllentsorgungsunternehmens private Flugreisen in die ukrainische Hauptstadt Kiew unternommen zu haben. Am Dienstag durchsuchte die im Land Brandenburg für Korruptionsdelikte zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin die Geschäftsräume der Abfallwirtschaftsunion (AWU) Ostprignitz-Ruppin in Neuruppin. Die Tochterfirma des Berliner Entsorgungsunternehmens ALBA entsorgt im Landkreises den gesamten Müll. Der Dezernent, der am Mittwoch vernommen wurde, ist unter anderem für die Müllbeseitigung im Landkreis zuständig.

Die Neuruppiner Staatsanwaltschaft bestätigte gestern auf PNN-Anfrage, dass „aufgrund von Vorwürfen gegen einen verantwortlichen Mitarbeiter der Kreisverwaltung ermittelt wird“. Nach PNN-Informationen geht es um den Vorwurf, der Dezernent habe in den Jahren 2000 bis 2006 mehrfach Reisen „eher privaten Charakters“ als Dienstreisen über den Müllentsorger abgerechnet.

„Wir gehen der Frage nach, ob diese Reisen dienstlich berechtigt und über das Unternehmen abgerechnet werden durften“, so Staatsanwalt Jürgen Schiermeyer. Auch nach der Vernehmung des Dezernenten sei der Verdacht nicht ausgeräumt. Der Dezernent war gestern Abend für eine Stellungnahme nicht mehr erreichbar. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, reiht sich dieser Fall in eine Reihe von Verdachts-, Korruptions- und Kriminalfällen ein, die der Fontanestadt Neuruppin längst den Beinamen „Märkisch Palermo“ eingebracht haben.

Erst im März waren gegen den Chef der Neuruppiner Stadtwerke Ermittlungen eingeleitet worden. Er soll über mehrere Jahre pflichtwidrig und ohne Rechtsgrundlage in für die Stadtwerke in „wirtschaftlich nicht mehr vertretbarer Höhe“ vor allem den Sportverein MSV Neuruppin gesponsert und dabei private, wirtschaftliche und lokalpolitischen Interessen verquickt haben: Der Stadtwerkechef war Vizepräsident des MSV Neuruppin. Laut Staatsanwaltschaft hatten die Sponsoring-Ausgaben der Neuruppiner Stadtwerke 2004 einen Umfang von 345 000 Euro „für Werbe-, Repräsentations- und Bewirtungskosten“, davon 128 000 Euro für direktes Sponsoring. Diese Summe hatte sich binnen eines Jahres verdreifacht. Außerdem sei der Stadtwerkechef „verdächtig“, Aufträge der Stadtwerke an eine Firma seiner Ehefrau vergeben zu haben, „obwohl preisgünstigere Angebote von Mitbewerbern“ vorgelegen hätten, so die Ermittler.

Im April war dann der früheren Neuruppiner Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Otto Theel (Linkspartei.PDS) wegen Subventionsbetruges und Korruption angeklagt worden – der Prozess ist noch nicht eröffnet. Die Staatsanwaltschaft geht von Subventionsbetrug in besonders schwerem Fall aus, weil Theel Befugnisse als Amtsträger missbraucht haben soll. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit dem Bau eines Vier-Sterne-Hotels in der Stadt. Theel soll von dem Hotelinvestor einen Privatkredit für seinen Sohn in Höhe von 70 000 Euro erhalten haben. Im Gegenzug, so die Anklagebehörde, habe Theel den Investor dabei unterstützt, Fördermittel vom Land zu bekommen. Theel soll zudem durch bewusst falsche Angaben dafür gesorgt haben, dass der Investor von der Landesinvestitionsbank Fördermittel in voller Höhe zugesagt bekam. Dabei soll Theel einen Investitionskostenzuschuss der Stadt verschleiert haben, der zur Minderung der Landesförderung geführt hätte. Im Zusammenhang mit dem Baukredit war im April bereits ein Neuruppiner Stadtverordneter vom Landgericht wegen Abgeordnetenbestechung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

In mafiösen Ruch geriet Neuruppin erstmals, als im Jahr 2004 die Aktivitäten um die so genannte XY-Bande aufflogen. Die Bande hatte Drogenhandel und illegales Glücksspiel betrieben, Prostituierte anschaffen lassen, aus den illegalen Profiten Straßenzüge aufgekauft und saniert sowie den Sportverein und soziale Projekte unterstützt – und in all das waren mindestens ein Polizist und mehrere Kommunalpolitiker verwickelt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })