Brandenburg: Prozess um Busunglück verzögert sich
Am Schönefelder Kreuz starben 14 Polen. Nun wird der Unfall erneut untersucht
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Schönefeld - Auch ein Jahr nach dem schweren Busunglück vom Schönefelder Kreuz ist noch kein Prozessauftakt in Sicht. Nach Informationen dieser Zeitung verzögert sich die Eröffnung der Hauptverhandlung bis Anfang 2012, wahrscheinlich wird sie erst im Frühjahr beginnen. Hintergrund ist wie berichtet ein ergänzendes Gutachten zum Unfallhergang, das die zuständige Kammer des Landgerichts Potsdam in Auftrag gegeben hatte. Es war nach der Sommerpause erwartet worden, aus Justizkreisen heißt es nun aber, der Bericht werde erst im Dezember vorliegen. Ein Gerichtssprecher bestätigte dies.
Der tödliche Unfall jährt sich am 26. September zum ersten Mal. Ein polnischer Reisebus war am Schönefelder Kreuz mit einem Mercedes kollidiert und bei einem Ausweichmanöver gegen einen Brückenpfeiler geprallt. 14 Insassen starben, 38 Menschen wurden verletzt. Für das ergänzende Gutachten wird der Unfallablauf nun erneut rekonstruiert, dazu sollen Experten dem Vernehmen nach direkt am Unfallort den Hergang nachvollziehen.
Die Potsdamer Staatsanwaltschaft hatte im Januar dieses Jahres eine 37-jährige Polizistin wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Die Berlinerin steuerte den Unfall-Mercedes. Auf der Autobahnzufahrt hatte sie die Kontrolle über den Wagen verloren, er schlitterte von der linken Auffahrspur auf die rechte Spur der Autobahn und stieß dort gegen den geradeaus fahrenden Bus. Der Vorfall wird wohl auch deshalb so umfangreich geprüft, weil in der Öffentlichkeit darüber spekuliert wurde, ob die Fahrerin des Mercedes gerast sei. Juristen befürchteten eine Vorverurteilung, dabei geht das schon seit Monaten vorliegende und bei Unfällen übliche Erstgutachten der Prüfgesellschaft Dekra davon aus, dass die Frau auf der Zufahrt nur rund 40 Stundenkilometer gefahren sei. Dies allein wäre kein Verstoß gegen Verkehrsbestimmungen. Sie soll jedoch stark beschleunigt haben, wodurch bei feuchtem Wetter die Hinterreifen des Mercedes durchdrehten. Die Anklage bezieht sich auf dieses starke Beschleunigen trotz kritischer Fahrbahnverhältnisse.
Aus Justizkreisen hieß es am Donnerstag dennoch erneut, es handele sich um einen „minderschweren Fall von fahrlässiger Tötung“, die Frau habe keine „erheblichen Fahrfehler“ gemacht. Bei einer Verurteilung drohen der Berlinerin bis zu fünf Jahre Haft, wahrscheinlicher ist nach jetzigem Stand aber eine Geldstrafe.
Das Unglück hatte große Bestürzung ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach Polens Regierungschef Donald Tusk ihr Beileid aus. In dem Bus saßen Mitarbeiter des Forstamtes aus Zlocieniec in Westpommern und ihre Familien. Sie waren auf dem Rückweg aus einem Urlaub in Spanien.
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