Brandenburg: Prozess um tödlichen Ehestreit
Tschetschene warf Frau Untreue vor und rastete aus
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Cottbus - Nach Feierabend ging ein junger Mann im vergangenen November zu seiner Cousine zum Abendessen. Das macht er hin und wieder, wie der 25-Jährige am Mittwoch vor dem Landgericht Cottbus als Zeuge berichtet. Beim Nachhausegehen machte er dann eine grausige Entdeckung direkt vor dem Mehrfamilienhaus in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz): Eine verletzte Frau lag neben einem Fahrradständer auf dem Boden. Sie atmete schwer. Was er nicht ahnte: Sie hatte einen Fenstersturz aus dem ersten Obergeschoss hinter sich. Als er oben bei seiner Cousine ein Handy für einen Notruf holte, kam ihm beim Hinausgehen ein Bewohner hinterher – der Ehemann der Frau. Dann schildert der Zeuge, wie der Mann ein Messer nahm und ihr die Kehle durchgeschnitten habe.
Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der 32 Jahre alte Angeklagte seine Ehefrau ermordete, weil er annahm, dass sie ihm untreu war. Der Verteidiger des Angeklagten verliest beim Prozessauftakt eine Stellungnahme, es ist ein Geständnis. Der Beschuldigte kommt aus Russland und spricht kein Deutsch, eine Dolmetscherin übersetzt. „Es handelt sich um eine Affekttat“, sagt der Anwalt. Er spricht von Blackout und Kurzschlussreaktion. Sein Mandant habe an dem Tag die Droge Crystal konsumiert.
Bereits in der Wohnung stritt demnach das Ehepaar um Untreue der Frau. Dabei stach der fünffache Familienvater laut Ankläger bereits mehrmals auf den Oberkörper der 27-Jährigen ein. Dann soll er sie im Badezimmer aus dem Fenster gestoßen und die Überlebende draußen getötet haben.
Obwohl der Angeklagte die Messerstiche zugibt, schildert die Verteidigung den Teil mit dem Fenstersturz anders als die Staatsanwaltschaft. „Unzutreffend ist, dass er sie aus dem Fenster gestürzt hatte“, sagt der Anwalt. Vielmehr habe die Frau bei dem Streit über das Fenster flüchten wollen und sei ohne sein Zutun hinausgekommen.
Ein weiterer Bewohner aus dem vierten Stock des Mehrfamilienhauses schildert eine andere Beobachtung. Er habe an dem Abend zufällig an seinem Badezimmerfenster gestanden, um zu rauchen und habe die Szene miterlebt. Er habe gesehen, wie zunächst der Kopf der Frau aus dem Fenster hing und sie sich an ihrem Ehemann noch festhielt.
Schließlich habe der Angeklagte ihre Beine in der Hand gehabt. „Er hat sie festgehalten und dann losgelassen“, sagt der Zeuge über das Opfer. Die Frau sei dann mit dem Kopf auf den Fahrradständer gefallen.
Das Gericht begutachtet danach zahlreiche Fotos vom Tatort. Am Fenster, der Hauswand und im Badezimmer sind Blutspuren zu sehen. Ein Polizist sagt aus, dass er bei dem Einsatz in der Wohnung schlafende Kinder entdeckt habe.
Der Verteidiger berichtet von der Familiensituation. Das Paar sei mit seinen Kindern im Mai 2016 nach Deutschland gekommen, um Asyl zu beantragen. Im Oktober sei dann die Abschiebung geplant gewesen. Weil der Tschetschene an dem Tag nicht in der Wohnung gewesen sei und vorübergehend bei Bekannten unterkam, konnte sie nicht erfolgen. Die Familie habe isoliert und ohne wesentliche soziale Kontakte gelebt. Anna Ringle, dpa
Anna Ringle, dpa
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