zum Hauptinhalt
Quer zur Partei. Der Märker Hans-Georg von der Marwitz sitzt seit 2009 auch für die CDU im Bundestag. Jetzt fordert er den Rücktritt des Bundespräsidenten.

© epd

Brandenburg: Querdenker aus dem Oderbruch

In Umweltfragen ist der CDU-Politiker Hans Georg von der Marwitz nicht immer eins mit seiner Partei, der CDU

Stand:

Berlin/Friedersdorf - Friedersdorf am Rande des Oderbruchs: Die Sonne lässt die Wetterfahne auf der barocken Dorfkirche glänzen, gelb leuchtet der Giebel des Marwitzschen Anwesens zwischen den Bäumen. Hans-Georg von der Marwitz, Spross einer märkischen Adelsfamilie, steht in der Eingangshalle und öffnet die Post. Gleich will er hinüber auf den Gutshof. Zuvor gibt es neue Pläne für den Kunstspeicher Friedersdorf zu besprechen, das Kulturhaus am Ort, in einem ehemaligen Kornspeicher. Von der Marwitz ist Mitbegründer und Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft. Daneben bewirtschaftet er 900 Hektar Ackerfläche, 60 Prozent davon im Ökolandbau, betreibt eine Biogasanlage und ist Arbeitgeber von 25 Beschäftigten. Mit 20 Prozent Bevölkerungsgewinn ist Friedersdorf im Abwanderungsland Brandenburg die Ausnahme.

Seit 2009 sitzt Marwitz auch für die CDU im Bundestag. Mit seinen Vorstellungen steht er häufig quer zur Partei. So stimmte er im letzten Herbst als einer von fünf Unions-Abgeordneten gegen die umstrittene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke: „Dass wir Generationen nach uns noch mit unseren vermeintlichen Segnungen für den Industriestandort Deutschland belasten, das hat mich immer sehr belastet.“ Jetzt, nach der Fukushima-Katastrophe, findet der Paradigmenwechsel statt. Und Marwitz kämpft genauso entschieden gegen die Errichtung von CO2-Speichern in Brandenburg, mit der der Braunkohletagebau klimafreundlicher werden soll: „Es ist eine Irreführung des Verbrauchers“, wettert der Unions-Mann gegen das gerade in das Parlament eingebrachte CCS-Gesetz der Bundesregierung: „Die CO2-Lagerung im Erdreich birgt so viele Gefahren, es ist auch nur eine sehr kurzfristige Lösung und wäre verantwortungslos, wenn wir weiterhin darauf setzen.“ Vor kritischer Distanz zu seiner Partei scheut der engagierte Protestant, der auch Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Kirchenleitung ist, also gleich mehrfach nicht zurück. Gleichwohl bekennt er: „Sicher ist das schwierig, mit dem 'C' im Namen der Partei, aber ich finde sehr viel mehr Schnittstellen zwischen meiner Überzeugung und meiner kirchlichen Tätigkeit als mit anderen Parteien.“ 1990, gleich nach dem Fall der Mauer, war Marwitz das erste Mal aus dem Allgäu in den Oderbruch gekommen. Ein Zufall führte ihn und seine Frau genau in den Ort, aus dem seine Familie nach 1945 vertrieben worden war: „Der Gutshof war in einem abenteuerlichen Zustand, die Hofanlage verstellt, der Hof diente als Müllplatz, die Kirche war eine Ruine – Friedersdorf machte einen trostlosen Eindruck“, erinnert er sich. Eine emotionale Nähe gab es damals nicht, die Familienbeziehung war abgerissen.

Inzwischen ist alles anders. Marwitz hat Friedersdorf wieder zum Familienmittelpunkt gemacht. Die Kirche, in der sein Großvater noch Patron war, rettete er gemeinsam mit anderen Friedersdorfern vor dem Verfall – zunächst gegen den Willen der Landeskirche, die sie bereits aufgegeben hatte. „Es gab viele Menschen, die das sehr genau beobachtet haben, die dachten: Entweder, die sind verrückt, oder sie meinen es ernst.“ Marwitz kaufte Ackerland, erwarb wie manch anderer adliger Rückkehrer das alte Gut zurück und baute ein neues Heim für seine mittlerweile sechsköpfige Familie. Doch er musste auch viel Lehrgeld zahlen: „Ich musste mir über jedes Detail eine Meinung bilden.“ Da habe es natürlich auch viele Entscheidungen gegeben, „die sich im Nachhinein als falsch erwiesen haben“.

Charakterstärke und Eigensinn haben in der Familie durchaus Tradition. In der Friedersdorfer Kirche würdigt eine Tafel den 1781 verstorbenen Johann Adolf von der Marwitz. Er hatte dem König den Dienst verweigert, weil er einen Befehl für ehrenrührig hielt. In seinen „Wanderungen aus der Mark Brandenburg“ zitiert Fontane die Grabtafel: „Wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht Ehre brachte.“

Sigrid Hoff

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })