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Brandenburg: Ränke um Spitzenposten in der Justiz Präsidentenamt am Landessozialgericht seit mehr als einem Jahr vakant. Berlin und Brandenburg uneins

Potsdam/Berlin - Sie gelten als Musterbeispiele für Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg und sind deutschlandweit einmalig: die gemeinsamen Obergerichte. Doch bei der Besetzung von Führungsposten hakt es immer wieder, weil sich der Justizsenat in Berlin und das Justizministerium in Potsdam nicht einigen können.

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Potsdam/Berlin - Sie gelten als Musterbeispiele für Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg und sind deutschlandweit einmalig: die gemeinsamen Obergerichte. Doch bei der Besetzung von Führungsposten hakt es immer wieder, weil sich der Justizsenat in Berlin und das Justizministerium in Potsdam nicht einigen können. Jüngstes Beispiel ist das gemeinsame Landessozialgericht mit Sitz in Potsdam. Ende 2013 ging die bisherige Präsidentin, Monika Paulat, in Pension. Seither ist der Posten unbesetzt. Bei der Suche nach einem Nachfolger zeigte sich, wie wenig Berlin und Brandenburg an einem Strang ziehen. „Eine Neubesetzung der Präsidentenstelle ist nach über einjähriger Vakanz immer noch nicht in Sicht“, hieß es in einer am Dienstag verbreiteten Mitteilung des Landessozialgerichts.

Dabei ging aus dem Bewerbungsverfahren eine renommierte Juristin als Favoritin hervor, Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov (Linke) schloss sich dem Ergebnis an. Nach PNN-Informationen war Sabine Schudoma, derzeit Präsidentin des Sozialgerichts Berlin, das größte seiner Art in Deutschland, als die Nummer eins aus dem Auswahlverfahren hervorgegangen.

Doch Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) sperrt sich. Wie aus Brandenburger Justizkreisen und der Berliner SPD zu hören ist, gibt es dafür auch einen klaren Grund. Schudoma gilt als SPD-nah, 2012 wurde sie auf Vorschlag der Sozialdemokratien zur Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichts gewählt.

Heilmann teilte Markov und der Richterschaft kürzlich mit, dass er sein Einvernehmen mit Brandenburgs Besetzungsvorschlag ausdrücklich verweigert. Vielmehr müsse eine weitere, neue Bewerbung berücksichtigt werden, hieß es. Dem Vernehmen nach hat Heilmann bundesweit nach einem neuen Kandidaten für den Posten des Landessozialgerichtes gesucht – und ist fündig geworden. Obwohl das Bewerbungsverfahren eigentlich vorbei ist und Schudoma als Favoritin daraus hervorging, setzt Heilmann das Prozedere mit seinem Veto wieder in Gang.

Berlins Justizverwaltung wollte sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht zu dem Vorgang äußern, zudem weilt Heilmann derzeit im Urlaub. Aus seinem Umfeld wurde die Darstellung, Heilmann blockiere Schudoma aus parteipolitischen Gründen, scharf zurückgewiesen. Vielmehr werde mit dem Veto das Auswahlverfahren gerettet, sonst drohten Schudoma wegen Verfahrensfehlern auf Brandenburger Seite Klagen von Mitkonkurrenten.

Markov sagte den PNN: „Die Zusammenarbeit mit Berlin ist grundsätzlich gut und effektiv. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen unterschiedliche Auffassungen bei Personalfragen geben kann, was aber keinesfalls unsere gemeinsame Arbeit beeinträchtigt oder gar infrage stellt.“ Die Besetzung solch wichtiger Posten erfordere stets eine enge Abstimmung, „was dann in Einzelfällen leider zu Verzögerungen führen kann“.

Beim Landessozialgericht rechne niemand damit, dass der Präsidentenposten noch in diesem Jahr besetzt werden kann. Dann wäre es zwei Jahre ohne amtierenden Präsidenten, stattdessen nur kommissarisch geführt durch den Vizepräsidenten, dessen Verhandlungsposition gegenüber Senat in Berlin und Ministerium in Potsdam deutlich schwächer ist als die eines richtigen Präsidenten.

Derlei Umgang mit der Justiz sei obszön, damit würde das Gericht künstlich klein gehalten, heißt es aus der Richterschaft. Zumal die  Sozialgerichte in der Region riesige Aktenberge vor sich herschieben und nirgends sonst die Richter mehr Verfahren erledigen müssen.

Überhaupt wachsen die Zweifel in der Justiz an den gemeinsamen Obergerichten, neben dem Landesarbeitsgericht gibt es das Oberverwaltungsgericht (OVG) und Landesarbeitsgericht in Berlin sowie das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in Cottbus. Dort geht jetzt Claus Lambrecht in Pension, ein neuer Präsident wird gesucht. Die Richter dort rechnen bereits mit dem Schlimmsten.

Beim OVG dauerte es zwei Jahre, bis mit Joachim Buchheister Ende 2013 schließlich ein neuer Präsident sein Amt antrat. Beim Landesarbeitsgericht ging es schneller, dort dauerte es nur ein Jahr, im April 2014 trat Ursula Hantl-Unthan ihr Amt an.

Buchheisters Vorgänger am OVG hatte sich schon 2010 verbittert über die schwierige Zusammenarbeit bei der Bundesländer beschwert. Da die Länderehe auf Eis liege, leide man an der „Behelfskonstruktion“, sagte er damals. Man müsse sich stets mit zwei Justizverwaltungen abstimmen, was zulasten der Arbeitsfähigkeit gehe. Da dauere die Einstellung eines Richters schon mal ein Jahr, beklagte Jürgen Kipp. „Bei uns wird aus jeder Richterstelle ein Staatsakt.“ Bei Präsidentenstellen ist es offenbar noch mehr als das.

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