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Ruinen von Oradour-sur-Glane: Die Ruinen von Oradour-sur-Glane (Frankreich) und eine Gedenktafel, deren Text lautet:"Gedenkstätte - Eine Gruppe von Männern wurde hier von den Deutschen massakriert und verbrannt - Besinnt Euch". Die 3. Kompanie des I. Bataillons des Panzer-Grenadier-Regiments "Der Führer" hatte am 10.06.1944 in Oradour-sur-Glane mindestens 642 Einwohnern des Ortes getötte. Nur sechs überlebten. 

© dpa

Kriegsverbrechen: Razzia bei mutmaßlichen SS-Kriegsverbrechern

UPDATE. Mehr als 67 Jahre nach dem Massaker der Waffen-SS an den Bewohnern des französischen Ortes Oradour-sur-Glane haben Ermittler die Wohnungen von sechs Verdächtigen durchsucht, auch in Brandenburg.

Von Matthias Matern

Stand:

Die Verdächtigen sollen als Angehörige einer Waffen-SS-Einheit an der Ermordung von 642 Menschen, darunter überwiegend Frauen und Kinder, beteiligt gewesen sein, sagte Staatsanwalt Andreas Brendel am Montag in Dortmund. Die Verdächtigen leben in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Brandenburg. Die Ermittlungen seien durch einen Hinweis aus der Stasi-Unterlagenbehörde ins Rollen gekommen.

Staatsanwalt Andreas Brendel bestätigte am Montagmittag gegenüber pnn.de in Dortmund, dass die Verdächtigen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Brandenburg leben. Der Mann aus Brandenburg lebe in einem "kleinen Ort bei Berlin", wo genau, wollte der Ermittler nicht sagen. Der Mann sei kaum Vernehmungsfähig. 

Die Ermittlungen seien durch einen Hinweis aus der Stasi-Unterlagenbehörde ins Rollen gekommen, so Brendel. Dort waren in DDR-Akten Spuren auf die damals 18 und 19 Jahre alten Männer entdeckt worden. Die Beschuldigten, gegen die wegen Beihilfe zum Mord ermittelt werde, hätten ihre Tatbeteiligung bestritten oder seien nicht vernehmungsfähig gewesen. Wesentliche Beweismittel seien bei den Durchsuchungen nicht entdeckt werden. Man habe gehofft, Tagebücher, Dokumente oder Fotos aus der damaligen Zeit sicherstellen zu können. Die anderen Verdächtigen leben im Großraum Hannover, in Köln, im Raum Bielefeld und im Raum Darmstadt.

Der heute 86-jährige Beschuldigte aus Brandenburg sei vom DDR-Geheimdienst bei dessen Ermittlungen zum Massaker als "hoch verdächtig" eingestuft worden, galt aber in erster Linie als Zeuge im Verfahren gegen SS-Obersturmführer Heinz Barth, der in der DDR wegen seiner Beteiligung am Massaker 1983 zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden war. 1997 war er aus der Haft entlassen worden. Barth starb im Jahr 2007. 

Am 10. Juni 1944 hatte die 3. Kompanie des I. Bataillons des zur SS-Panzer-Division „Das Reich“ gehörenden Panzergrenadier-Regiments „Der Führer“ bei so genannter "Partisanenbekämpfung" den gesamten Ort  Oradour-sur-Glane dem Erdboden gleich gemacht und fast alle Einwohner ermordet.

Etwa 120 Soldaten der 3. Kompanie des SS-Panzergrenadierregiments 4 waren in das 30 Kilometer nordwestlich von Limoges gelegene Dorf einmarschiert - dort wurden Kämpfer und ein Waffenlager der französischen Widerstandsbewegung Résistance vermutet. Der Befehl lautete, 30 Geiseln vom Bürgermeister des Ortes benennen zu lassen, um diese gegen einen kur zuvor gefangen genommenen Sturmbannführer auszutauschen. Doch  der Befehlshaber vor Ort befahl, den Ort niederzubrennen und ohne Ausnahme alle Bewohner zu töten. Der Chef der 3. Kompanie, Otto Kahn, sagte nach dem Krieg in einem Dortmunder Gerichtsverfahren aus: „Diekmann eröffnete mir, dass als Befehl die Niederbrennung und Vernichtung des Dorfes Oradour eingegangen sei, was ich auszuführen hätte.“ Die Dorfbewohner wurden zunächst auf dem Marktplatz zusammengetrieben und von der SS in Männer sowie Frauen und Kinder aufgeteilt. Die Frauen und Kinder wurden in die Kirche getrieben. Die SS-Leute zündeten daraufhin die steinerne Kirche an und sprengten den Kirchturm, der in das Kirchenschiff einschlug, warfen Handgranaten und schossen wahllos in die Menge. Die etwa 200 Männer, die zuvor in Garagen und Scheunen gebracht worden waren, wurden danach erschossen. Von den 642 Toten waren nur noch 52 identifizierbar. Unter den Toten befanden sich 207 Kinder und 254 Frauen. Nur sechs Menschen überlebten das Massaker.

Gegen den Befehlshaber vor Ort, Obersturmbannführer Adolf Diekmann,  wurde durch die Vorgesetzten kriegsgerichtliche Ermittlungen eingeleiten. Diekmann jedoch blieben Folgen erspart. Er fiel wenige Tage später während der alliierten Invasion in der Normandie. Auch ein Großteil der 3. Kompanie, die das Massaker begangen hatte, wurde wenige Tage später aufgerieben. Adolf Hitler hatte außerdem ein Gerichtsverfahren untersagt. Erst in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg konnte in Frankreich eine gerichtliche Verfolgung der an dem Massaker Beteiligten eingeleitet werden. 1953 konnten nur noch 65 Täter angeklagt werden, der Rest war entweder im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkrieges gefallen oder konnte nicht mehr festgestellt werden.

Am 10. Juni 1944 war die Waffen-SS in den Ort eingefallen und hatte fast die gesamte Bevölkerung ermordet. Frauen und Kinder - auch Babys - wurden in eine Kirche gesperrt, die dann gesprengt und angezündet wurde. Die Männer des Ortes wurden in Scheunen und Garagen getrieben und dort erschossen. Sämtliche Häuser wurden von der SS angezündet. Der völlig zerstörte Ortskern wurde nicht wieder aufgebaut und ist noch heute eine Mahn- und Gedenkstätte.
Anlass des Massakers soll die Gefangennahme eines SS-Sturmbannführers durch Widerstandskämpfer gewesen sein. Wegen der Gräueltat hatte es Gerichtsprozesse in Frankreich und in der DDR gegeben. In der Bundesrepublik war zwar mehrfach ermittelt worden, die Ermittlungen mündeten aber nie in eine Anklage. Bei der Dortmunder Staatsanwaltschaft ist die Zentralstelle für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in Nordrhein-Westfalen angesiedelt. (mit dpa; Quelle für die historischen Daten: Wikipedia)

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