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Rechtsstreit in Brandenburg: Kikeriki auf dem Kieker
Weil er mit seinem Krähen störte, schickt das Gericht einen Hahn in den schallisolierten Stall. Die Freien Wähler wollen solchen Streits die Grundlage entziehen.
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Brandenburg, es ist nicht immer einfach. „Jeder will dahin“ beschwört das Landesmarketing die neue märkische Liebesformel, besungen in einem Video mit ländlicher Kulisse von Rapper Finch. Die Kleinstadt Müncheberg im Landkreis Märkisch-Oderland mit 7000 Einwohnern etwa - ein Idyll. „Die Ortsteile der Stadt laden zu weiträumigen Wanderungen in Flora und Fauna ein“, wirbt die Stadt auf ihrer Internetseite. Aber wehe, wenn die Fauna ihrer Natur freien Lauf lässt.
Ein tierischer Streit unter Nachbarn beschäftigte nun die Justiz. Nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) muss ein Unruhestifter künftig in einem schallisolierten Stall untergebracht werden. Der Störenfried: ein Gockel. Der Hahn hatte in Müncheberg eine Nachbarin - aus der Bundeshauptstadt nach jwd gezogen? Man weiß es nicht - um den Schlaf gebracht. Wie das Gericht mitteilte, krähte der Hahn im Bereich der Innenstadt zeitweise ab 3 Uhr nachts und bis 6 Uhr morgens. Der Lärm des Tiers sei im etwa 20 Meter entfernten Schlafzimmer der Anwohnerin, die vor Gericht dagegen vorging, deutlich zu hören. Die wache Dame hat sich nachts auf die Lauer gelegt und dem Gericht sogar ein „Krähprotokoll“ vorgelegt - mit Erfolg.
Das Gericht gab der genervten Nachbarin recht
Die Stadt Müncheberg muss nun dafür sorgen, dass der Halter seinen Hahn von 22 bis 6 Uhr in einem geschlossenen, schallisolierten Stall unterbringt. Das Gericht bezieht sich auf den Paragrafen 10 des Landesimmissionsschutzgesetzes, wonach in dieser Zeit die Nachtruhe vor erheblichem Lärm zu schützen sei. Zudem handele es sich nicht um eine landwirtschaftliche Tierhaltung.
Nach diesem Urteil kräht bald kein Hahn mehr, könnte man meinen. Von wegen. Die Freien Wähler sind nun erst recht auf den Plan gerufen und kämpfen mit einem Landtagsantrag weiter für die freie Entfaltung der märkischen Flora und Fauna. Beim Müncheberger Hahnenkampf handle es sich nicht um einen Einzelfall, betont die Landtagsfraktion BVB/Freie Wähler und zählt weitere Beispiele auf: Vor Jahren sei ein Hofladen in der Gemeinde Kolkwitz (Spree-Neiße) gezwungen worden, mehrere Schafe aufzugeben und den Betrieb der Räucherei massiv zu beschränken. In anderen Fällen seien Geflügelzüchter per Urteil verpflichtet worden, höchstens zwei Hähne zu halten, was die Geflügelzucht faktisch unmöglich mache.
Auch der Schaf- und Ziegenhalterverband in Brandenburg kritisiere Regeln und Urteile, die das Landleben massiv erschweren. „Nach dem Überqueren einer kleinen Tierherde zum Beispiel müssen die Halter die Straße reinigen, sonst drohen ihnen hohe Bußgelder. Die Haltung von Tieren im Freien mit Weidewechsel lohnt sich da oft nicht mehr“, schreiben die Freien Wähler in einer Mitteilung.
Freie Wähler ernten Zuspruch aus anderen Fraktionen
Ihr Antrag auf Schutz des Landlebens vor Klagen sei notwendiger denn je, argumentiert die kleinste Landtagsfraktion. Bei der Landtagssitzung im September wurde ihr Antrag in den zuständigen Fachausschuss verwiesen und erntete durchaus Zuspruch der anderen Fraktionen. Der Geruch von Misthaufen, das Muhen von Kühen, das Blöken von Schafen oder wie jüngst das Krähen von Hähnen: Die Freien Wähler fordern, solche Geräusche und Gerüche nach dem Vorbild Frankreichs als Kulturgut Sinneserbe zu schützen. Die Fraktion will mit ihrem Antrag erreichen, dass die rot-schwarz-grüne Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes einbringt, damit bestimmte Ausdünstungen und Laute bei Nachbarschaftskonflikten nicht als störend eingeordnet werden.
Bayerns Ministerrat hatte im August auf einen Landtagsbeschluss hin bereits eine entsprechende Bundesratsinitiative beschlossen. Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber von den Freien Wählern kann sich zum Beispiel den Schutz von Brotbacken oder Bierbrauen, Kirchen- oder Kuhglocken vorstellen. So könnten dicke Luft auf dem Land vermieden und Verwaltungen und Gerichte effizient entlastet werden.
„Viele Bürger wollen statt Massentierhaltung artgerechte Kleingruppenhaltung im Freien. Doch im gleichen Moment werden die entsprechenden Tierhalter so lange vor Gericht gezwungen, bis sie aufgeben“, sagt Péter Vida, Brandenburger Fraktionschef von BVB/Freie Wähler. „Das Landleben darf nicht weggeklagt werden! Tierhaltung im kleinen Stil und Komposthaufen gehören nun mal zum Dorf“, so der Politiker aus dem Barnim. Er hoffe, dass der Antrag der Fraktion in den kommenden Monaten nach den Beratungen im Ausschuss umgesetzt werde. „Brandenburg und Bayern stoßen damit eine Bundesratsinitiative an, die zu einer besseren Rechtssicherheit auf dem Land führen soll“, so Vida.
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