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Arbeitsessen: Regierung ignorierte Rechnungshof

Bereits im Jahr 2000 kritisierte die Prüfbehörde Mängel bei der Spesen-Abrechnung von Ministern und gab deutliche Hinweise.

Stand:

Potsdam - Die Mängel bei der Abrechnung der Arbeitsessen von brandenburgischen Regierungsmitgliedern waren im Finanzministerium und den anderen Ressorts schon lange vor der neuen Spesen-Affäre um Ex-Ministers Rainer Speer (SPD) bekannt. Der Landesrechnungshof hat bereits vor elf Jahren in einem Prüfhinweis an das damals erst von Wilma Simon, dann von Dagmar Ziegler (beide SPD) geführte Ressort auf die unzureichend geführten Abrechnungen von Ministern und Staatssekretären für sogenannte Arbeitsessen hingewiesen und klare Vorgaben gemacht. Das bestätigte der Präsident des Landesrechnungshofes, Thomas Apelt, den PNN.

Geschehen ist allerdings nichts, Konsequenzen blieben aus. Vielmehr ist der Hinweis des Rechnungshofes offenbar ignoriert worden, wie der Fall Speer zeigt. Denn das Papier ging auch alle Haushälter in den Ministerien, die auf die strikte Ausgabendisziplin und Einhaltung der Etatrichtlinien zu achten haben – und dazu zählten seit 2000 auch die Hinweise des Landesrechnungshofes zur Abrechnung von Spesen.

Zu Wochenbeginn sind durch einen Bericht der Bild-Zeitung Vorwürfe laut geworden, Ex-Finanz- und Innenminister Speer habe in den Jahren 2006 bis zu seinem Rücktritt 2010 Belege für Arbeitsessen ohne die nötigen Angaben zum dienstlichen Anlass und zu bewirteten Personen abgerechnet. Finanzminister Helmuth Markov (Linke) und Innenminister Dietmar Woidke (SPD) prüfen nun Speers Spesenabrechnungen jeweils für die Zeit, in der Speer die beiden Häuser geführt hatte. Er war von 2004 bis 2009 in der rot- schwarzen Regierung Finanzminister und nach der Landtagswahl 2009 bis zu seinem Rücktritt wegen einer Unterhaltsaffäre unter Rot-Rot Innenminister. Speer selbst ließ die Vorwürfe zurückweisen, der Vermerk „Arbeitsessen“ sei ausreichend – mit wem, das sei egal.

Woidke sieht das anders und räumte selbst Fehler ein. Als Konsequenz aus der Spesen-Affäre korrigierte er jetzt die bisherige Abrechnungspraxis seines Vorgängers: Künftig muss neben dem Anlass des Arbeitsessens zumindest die Funktion des Gastes auf den Belegen vermerkt werden. Ob auch das Finanzministerium und die übrigen Ressorts nun gegen den jahrelangen laxen Umgang bei der Spesenabrechnung einschreiten, ist noch unklar. Der Landesrechnungshof hatte seit der Prüfung im Jahr 1999, die den Hinweis an das Finanzministerium samt genauen Vorgaben zur richtigen Abrechnung zur Folge hatte, nicht noch einmal die Abrechungen der Regierungsmitglieder durchgesehen.

Auch Rechnungshof-Präsident Apelt, der das Finanzministerium jetzt zur Prüfung aller Belege und Auszahlungen aufforderte, widersprach Speer: „Ausgaben bei Restaurantbesuchen von Ministern dürfen nur dann erstattet werden, wenn neben der Rechnung auch der dienstliche Grund der Bewirtung angegeben wird – und vor allem die bewirteten Personen.“ Bewirtungen aus Verfügungsmitteln der Regierungsmittel seien „nur zulässig, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig sind“, worüber diese „nach pflichtgemäßem Ermessen“ entscheiden. „Die Ausübung des Ermessens muss aber transparent sein. Sonst ist nicht nachvollziehbar, ob die Ausgaben tatsächlich zur Erfüllung von Landesaufgaben getätigt wurden“, sagte Apelt. „Das heißt, jede Ausgabe braucht eine Begründung. Dabei reichen in der Regel einige Stichpunkte, um den Anlass zu beschreiben. Im Einzelfall mag die Bezeichnung als ,Arbeitsessen‘ ausreichen, wenn Themen wie etwa beim Verfassungsschutz streng vertraulich behandelt werden müssen.“

Grüne-Fraktionschef Axel Vogel sieht in der Spesen-Affäre zwar keinen Skandal, aber es sei „Schludrigkeit, Unachtsamkeit im Spiel, weil man meint, man sei etwas Besseres“. Dies sei ein generelles Problem von Politikern in hohen Ämtern. „Von den Ministern wird nichts anderes gefordert als vom Bürger, wenn er solche Ausgabe bei der Einkommensteuer geltend machen will. Ihnen ist zuzutrauen, Standardformulare auszufüllen.“ Jetzt gehe es darum, „dass der Rechnungshof und das Finanzministerium Erziehungsaufgaben wahrnehmen“.

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