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Brandenburg: „Reichstag“ geraubt

Bei der Dahlemer Entführung verschwanden auch Werke von Christo, Richter und Hartung

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Berlin - Auf Lösegeld hatten es die Entführer nicht abgesehen. Offenbar wussten sie sehr genau, was in der Villa des Immobilienmaklers und Rechtsanwalts Ottmar N. in Berlin-Dahlem zu holen war. Und so raubten sie bei der spektakulären Kurzentführung Mitte November neben einer sechsstelligen Bargeldsumme auch drei wertvolle Gemälde aus der privaten Kunstsammlung des 48-Jährigen sowie vier hochwertige Uhren. Gestern hat die Staatsanwaltschaft bekannt gegeben, um welche Werke es sich handelt: das Gemälde „Rot-Gelb-Blau“ von Gerhard Richter, ein titelloses Gemälde von Hans Hartung und die von Christo 1977 geschaffene Collage „Wrapped Reichstag“ .

Nach den Kunstwerken und den Uhren fahnden die Ermittler jetzt öffentlich. Die Versicherung des Beraubten hat für entscheidende Hinweise, die zu den Tätern führen, 10 000 Euro Belohnung ausgelobt. Insgesamt wird der Versicherungswert der Beute auf 200 000 Euro beziffert. Wie berichtet, war am Sonntag ein tatverdächtiger Litauer verhaftet worden. Er bestreitet aber, an der Entführung beteiligt gewesen zu sein. Auch wurde bei ihm keine Beute gefunden.

Die Polizei geht von mindestens drei Tätern aus, die Ottmar N. in der Nacht zum 14. November vor seiner Villa in der Ehrenbergstraße aufgelauert und ihn dann in einen weißen Kastenwagen gezerrt hatten. Sie nahmen ihm seinen Wohnungsschlüssel ab und hielten ihn zwei Stunden lang offenbar unter Bewachung fest. In der Zwischenzeit holten sie das Bargeld sowie die Gemälde und Uhren aus der Wohnung. Anschließend wurde der Entführte freigelassen.

Nun erhoffen sich die Ermittler offenbar vor allem über den möglichen Verkauf der Gemälde auf dem Markt an die Täter zu gelangen. Kunstexperten schätzen den Marktwert der drei Werke auf mehrere hunderttausend Euro. Allein Richter gilt derzeit als der teuerste zeitgenössische deutsche Maler. Für die Täter bestehe das größte Risiko aufzufliegen in dem Moment, wenn sie die Bilder verkaufen wollen, sagt eine Ermittlerin des beim Landeskriminalamt zuständigen Kunstkommissariats. Dies geschehe in der Regel über Hehler, die sich in der Kunstszene auskennen und Kontakte haben. „Einziges Ziel der Täter ist es, die Beute zu Geld zu machen. Dafür gehen sie ein hohes Risiko ein.“ Spektakuläre Kunstdiebstähle oder -raube hat es in den vergangenen Jahren wiederholt gegeben. So wurden 1989 aus dem Schloss Charlottenburg der „Arme Poet“ und der „Liebesbrief“ von Carl Spitzweg gestohlen. Sie sind bis heute verschwunden.

Oftmals lassen die Täter etwas Zeit verstreichen und versuchen, die Beute dann über Auktionshäuser zu verkaufen. Die Ermittler kontrollieren deshalb unter anderem die Veröffentlichungen und Kataloge von Auktionshäusern sehr genau. Doch scheint es auch Kunstsammler zu geben, die sich an geraubten oder gestohlenen Werken in ihrem Tresor erfreuen. Tanja Buntrock

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