
© Andreas Klaer
Brandenburg: Rendezvous am Brandherd
Weites Land, immer weniger Feuerwehrleute, aber mehr Einsätze umsonst: Blinde Alarme nehmen zu
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Potsdam - Jeden Tag rückt in Brandenburg mittlerweile eine Feuerwehr umsonst aus, weil sie „böswillig“ alarmiert wurde. „Das ist ein Riesenproblem. Das ist kein Spaß“, sagte Carsten Pranz, der zuständige Referatsleiter für Brand- und Katastrophenschutz im Innenministerium am Freitag in Potsdam bei der Vorstellung des „Berichts zum Brand- und Katastrophenschutz 2012“ im Land. Danach wurden im Jahr 2012 allein 387 böswillige Fehlalarme von Feuerwehren registriert. Der Trend setze sich leider auch im Jahr 2013 weiter fort, sagte Pranz. „Es ist ein Delikt, das streng geahndet wird.“ Er wies darauf hin, dass auch Anrufe mit unterdrückter Nummer von der Polizei verfolgt und identifiziert werden können.
Nicht nur aus böswilligen Motiven ausgelöst, auch sonst halten Fehlalarme die zumeist freiwilligen Feuerwehren im Land zusätzlich in Atem, obwohl diese schon mit herkömmlichen Einsätzen genügend zu tun haben. So rückten Feuerwehren 2012 allein in 26 640 Fällen aus, um technische Hilfe etwa bei Verkehrsunfällen zu leisten. 2659 Menschen wurden aus gefährlichen Situationen gerettet, 750 mehr als im Jahr zuvor. Doch zugleich stieg die Gesamtzahl blinder Alarme auf 6129 Einsätze, 2011 waren es noch 5804, 2003 nur 4093, wobei das Gros technische Fehlmeldungen von automatischen Brandmeldern an die Leitstellen der Feuerwehr ausmachen. Solche Fehlmeldungen nehmen zu, weil Geräte empfindlicher oder nicht gewartet werden. „Es kann sein, dass Spinnweben die optoelektronischen Sensoren auslösen“, sagte Pranz. 6920-mal rückten Feuerwehren im Jahr 2012 aus, um echte Brände zu löschen - in etwa also genauso oft wie zu blinden Alarmen.
Dabei haben die Feuerwehren in einem Flächenland wie Brandenburg mit sinkenden Einwohnerzahlen schon so Mühe, einsatzfähig zu bleiben. Zwar gibt es in den größeren Städten fünf Berufsfeuerwehren, in großen Unternehmen zudem zehn Werksfeuerwehren. Doch das Rückgrat für die Brandbekämpfung im Land sind immer noch die 201 Freiwilligen Feuerwehren, mit 1825 Einheiten in den Dörfern, und acht ständig besetzten Wachen. Aber die demografische Entwicklung fordert ihren Tribut. Die Zahl ehrenamtlicher Feuerwehrleute erreichte im Jahr 2012 einen neuen Tiefststand, mit 42 719 freiwilligen Feuerwehrmännern – etwa zweitausend weniger als im Jahr zuvor, etwa achttausend weniger als noch 2002. „Es ist derzeit nicht absehbar, dass der Rückgang zu stoppen ist. Das muss man offen sagen“, erklärte Innenminister Ralf Holzschuher (SPD). Zwar bemühen sich die Freiwilligen mit inzwischen 11 916 Aktiven in Jugendfeuerwehren - 300 mehr als 2011 - durchaus erfolgreich um Nachwuchs. Die Rückgänge ausgleichen kann das jedoch nicht. Deshalb ist in den letzten Jahren in Abstimmung mit den Kommunen ein System von „Stützpunktfeuerwehren“ entwickelt worden, wo Investitionen und neu angeschaffte Technik konzentriert werden. Ein System, das nach Auskunft von Pranz in den Folgejahren weiter präzisiert werden soll, für besondere Gefährdungsräume wie den BER-Großflughafen, Gebiete mit besonders hoher Waldbrandgefahr, Tagebaue, munitionsbelastete Flächen, entlang von Autobahnen. Im Alltag ist es längst so, dass anders als in der Vergangenheit nicht mehr nur die Freiwillige Feuerwehr eines Dorfes alarmiert wird, wenn es dort brennt - sondern alle Feuerwehren der Umgebung. Denn viele Feuerwehrleute sind an Werktagen tagsüber gar nicht da, weil sie anderswo ihrer Arbeit nachgehen. Es rücken dann drei, vier, fünf Feuerwehrfahrzeuge verschiedener Wehren an, jedes einzelne unterbesetzt, aber am Brandherd wird die nötige Einsatzstärke erreicht. Genannt wird das „Rendezvous-System“, wie Landesbranddirektor Norbert Zoschke erläutert. Und Minister Holzschuher versichert: Die nötige Einsatzfähigkeit der Feuerwehren in Brandenburg sei „derzeit überall gewährleistet.“ Derzeit noch.Thorsten Metzner
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