Brandenburg: „Respektpreis“ vergeben 18-Jähriger engagiert sich für Homosexuelle. Zahl homophober Übergriffe in Berlin bleibt konstant
Berlin - Die Zahl homophober und transphober Übergriffe in Berlin ist im Vergleich zum Vorjahr gleich hoch geblieben. Das berichtete Polizeipräsident Klaus Kandt am Mittwoch bei der Verleihung des „Respektpreises“ des Bündnisses gegen Homophobie.
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Berlin - Die Zahl homophober und transphober Übergriffe in Berlin ist im Vergleich zum Vorjahr gleich hoch geblieben. Das berichtete Polizeipräsident Klaus Kandt am Mittwoch bei der Verleihung des „Respektpreises“ des Bündnisses gegen Homophobie. Demnach habe es im ersten Halbjahr 2015 mit 51 gemeldeten Übergriffen einen weniger gegeben als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres.
Insgesamt registrierte die Berliner Polizei vergangenes Jahr 74 homo- und transphobe Übergriffe. Die Dunkelziffer liege jedoch beträchtlich höher, so Kandt. Schätzungen zufolge würden 80 bis 90 Prozent der Straftaten gegen queere Menschen nicht zur Anzeige gebracht. Rund 900 Vorfälle könnten sich demnach pro Jahr ereignen, von denen die Polizei nichts mitbekomme. Kandt sprach dabei von einem „Angriff auf uns alle“, dem man entschieden entgegentreten muss.
Den diesjährigen „Respektpreis“ des Bündnisses gegen Homophobie erhielt der 18-jährige Nasser El-Ahmad, der sich nicht nur durch seine Lebensgeschichte, sondern auch durch sein Engagement und Durchhaltevermögen auszeichne, sagte Integrationssenatorin Dilek Kolat, die den Preis überreichte. Er sei damit ein Vorbild für andere, Respekt laut einzufordern. „Wir brauchen mehr Menschen wie Nasser“, so die Senatorin.
Nasser wuchs in einer libanesisch-stämmigen Familie auf. Der Sohn strenggläubiger Eltern erregte Anfang dieses Jahres die mediale Aufmerksamkeit, nachdem er seinen eigenen Vater und zwei seiner Onkel wegen Entführung anzeigte. Aus Frustration über die sexuelle Orientierung und den westlichen Lebensstil des 18-Jährigen lockten sie ihn unter einem Vorwand in die Wohnung der Eltern, betäubten und entführten ihn. Offenbar wollten sie ihn im Libanon ermorden lassen. Nur dank aufmerksamer Grenzbeamte an der rumänisch-bulgarischen Grenze flog die Entführung auf.
Vor zwei Jahren erfuhr die Familie durch ein Zwangsouting von Nassers Homosexualität. „Ich bekomme noch heute beleidigende Worte zu hören, bis hin zu Morddrohungen, dass man mich umbringen will“, sagte er nach der Preisvergabe. Heute lebt Nasser offen homosexuell und engagiert sich auf zahlreichen Demonstrationen für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung queerer Menschen.
Der Fall des Jungen zeige, dass Homosexuelle in streng gläubigen Familien noch immer sehr zu leiden hätten, sagte Kolat. Zwangsehen, um die Ehre der Familie zu wahren, beträfen also nicht nur Frauen, sondern auch Männer.
Der „Respektpreis“ wurde in diesem Jahr bereits zum fünften Mal in Folge verliehen. Nominiert waren neben dem 18-Jährigen auch der ehemalige Kinderarzt Jörg Woweries, der sich seit zehn Jahren für die Selbstbestimmungsrechte intergeschlechtlicher Menschen einsetzt, sowie die Aktivistin Annet Audehm und eine Arbeitsgruppe der Berliner Universität der Künste, die sich für die Realisierung eines Denkmals für die weltweit erste homosexuelle Emanzipationsbewegung einsetzt.Florian Brand
Florian Brand
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