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Die Seepyramide und dahinter die Landpyramide im Fürst-Pückler-Park von Branitz (Luftaufnahme mit einer Drohne).

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild / Patrick Pleul

Rettungsmission im Park Branitz: Der Geist von Fürst Pückler und der Klimawandel

Kranke und sterbende Bäume, wüstenähnliche Regionen – mit dem Klimawandel verändern sich Landschaften zusehends. Auch historische Gärten und Parks sind bedroht.

Von Silke Nauschütz, dpa

Im Branitzer Park strecken sich die Äste der Bäume dem Winterhimmel entgegen. Majestätisch präsentieren sich große Buchen, Eichen und Linden, filigrane Wasserläufe lassen Besucher schwärmen, Strauchgruppen laden in den Sommermonaten zum Verweilen ein. Auf den ersten Blick verrät die von Gartenkünstler Hermann Fürst von Pückler-Muskau vor 176 Jahren gestaltete Kulturlandschaft nichts von Dürre, Hitze und Wassermangel – doch auch diese Oase in Cottbus ist mitten im Klimawandel. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Parks sich gravierend verändern“, sagt Gartendenkmalpfleger Christoph Haase. Der gewohnte Blick werde nicht mehr da sein. „Der Klimawandel ist hier definitiv angekommen“, macht er klar.

In einem Wettlauf mit der Zeit stemmen sich der Referent für Gartendenkmalpflege und sein Team gegen die Folgen der Klimaveränderungen – mit Unterstützung aus der Vergangenheit. Denn Fürst Pückler – immer für Auffallendes zu haben – errichtete im Jahr 1846 ein besonderes Baumquartier: eine Baumuniversität, wie er es nannte. Junge Pflänzchen wurden in der Schlossgärtnerei aufgezogen, um sie später als „Erwachsene“ in den Park umzusiedeln, als charaktervolle, vor allem aber einheimische Bäume für die Sichtachsen.

Pückler ließ unter anderem dazu auch bis zu 20 Meter hohe Bäume verpflanzen, dank einer aus England mitgebrachten Idee: eine „Baum-Maschine“ mit Hebelwirkung, die noch heute als Replik zu sehen ist. Er kaufte dafür Grundstücksbesitzern riesige Bäume ab.

Bäume sterben in rasanter Geschwindigkeit

Denkmalpfleger Haase schaut auf die Baumriesen des Fürsten, die auf den ersten Blick nichts von ihrem teilweise schlechten Zustand verraten. Tausende Bäume aus dem Bestand der Schlossgärtnerei stehen im Innenpark, viele von ihnen sind bedroht. „Uns droht der Park zusammenzubrechen“, stellt Haase fest. Bei vielen Bäumen sei der Kreislauf durch Dürre, Hitze und extreme Wetterereignisse aus dem Gleichgewicht geraten. Buchen bekämen Sonnenbrand, Stieleichen blieben mitten im Austrieb stecken, Wassermangel machte Bäume anfällig für Schädlinge, die sie gesund abwehren könnten, zählt er auf. „Bäume sind schon immer gestorben, auch zu Pücklers Zeiten, aber nicht in dieser Geschwindigkeit“, sagt der Fachmann. Inzwischen habe jede heimische Baumart spezifische Krankheiten.

Wertvolle historische Sorten von Linden, Blutbuchen, Eichen und Platanen: Der Fachmann und seine Mitarbeitenden retten, was noch zu retten ist, bevor das genetische Material abstirbt. „Das kann nur durch Veredlung und Vermehrung von Zellkulturen gelingen, sonst gehen die Eigenschaften verloren“, erklärt der Experte. „Bevor die alten Riesen abtreten, müssen wir für Verjüngung sorgen.“

Mitunter kann man die Gärtner im Park beim Eichelnsammeln beobachten. Die alten Zerreichen etwa werfen Samen ab, die im „Baumkindergarten“ keimen. Dann werden die gesündesten Pflanzen aussortiert und weiter aufgezogen. „Wir wollen nicht nur Alternativbaumarten, wir wollen die heimischen Baumarten nicht verdrängen“, betont Haase.

Pücklers Baumuniversität 2.0

Nachpflanzungen im Park ausschließlich aus eigener Produktion – das ist das große Ziel. Pücklers Baumuniversität 2.0 sozusagen. Es geht allerdings in erster Linie nicht um Romantik wie beim Fürsten, sondern um Klimaanpassung und die Frage, welche Baumsorten widerstandsfähiger sind gegen Trockenheit und Frost und die noch vorhandenen Arten ersetzen können. Doch welche Methode ist am nachhaltigsten? Eichenarten aus südlicheren und trockeneren Gefilden wie die ungarische oder die Libanon-Eiche seien durchaus vielversprechend, aber auch Kreuzungen der heimischen Stiel-Eiche, sagt Haase.

Für die Rettungsmission wird die Wissenschaft gebraucht, etwa für genetische Untersuchungen oder Versuchsgewächshäuser, in denen Nährstoffe analysiert, Luftfeuchtigkeit und Temperaturbereiche simuliert werden. Haase, Projektleiter für die Baumuniversität, und seine Mitstreitenden können nicht nur mit Unterstützung von Forschenden rechnen, auch die Politik hat die Bedeutung der Arbeit in Branitz erkannt – im Jahr 2024 entsteht dort eine neue Baumuniversität als deutschlandweit größtes Modellprojekt für historische Gärten im Klimawandel. Der Bund fördert das Vorhaben mit fünf Millionen Euro.

Zwölf Hektar große Klimabaumschule

In den kommenden Jahren soll auf zwölf Hektar des denkmalgeschützten Außenparks eine Klimabaumschule entstehen – mit Anzuchtflächen, Versuchspflanzungen, Lehrgärten. In Laboren sollen neue Methoden der Gehölzvermehrung angewendet werden. Erfahrungen und Möglichkeiten der Baumuni sollen auch anderen historischen Gärten zugutekommen.

Dass es akuten Handlungsbedarf gibt und der Wunsch nach Austausch groß ist, zeigt ein Zusammenschluss von Schlösserverwaltern und Forschern. Landschaftsarchitekt Philipp Sattler ist Koordinator des Initiativbündnisses Historische Gärten im Klimawandel, das sich als Plattform versteht. Es kooperiert unter anderem mit dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK). Das „Patentrezept“ zum Umgang mit den Klimaveränderungen in solchen Kulturlandschaften fehle noch, deshalb sei eine Vernetzung notwendig, erklärt Sattler. Bewässerungstechniken, Bodenverbesserung, Erhaltung von gewachsenen Kulturen – die Themenbereiche des Netzwerks seien vielfältig.

Unterstützung vom Fraunhofer Institut

Unterstützung erhalten die Kulturerbe-Einrichtungen vom Fraunhofer Institut, das im Projekt „Keres“ die künftige regionale Bedeutung von Extremwetterereignissen, zu erwartende Schäden und Maßnahmen zur Vermeidung und Bewältigung von Schadenslagen untersucht. Das erlangte Wissen wird den Gärten und Parks zur Verfügung gestellt.

Der ideenreiche Fürst schrieb vor mehr als 150 Jahren einmal: „Zur freien Entwicklung nach allen Seiten bedarf jede Pflanze Luft und Licht, das ihr gerade so weit gewährt werden muss, als zur Gesundheit, Dichtigkeit und Fülle aller nötig ist. Es ist dies die Freiheit der Bäume, nach der wir uns ebenfalls so sehr sehnen“.

Pückler wollte den Park trotz komplett künstlicher Anlegung so natürlich wie möglich aussehen lassen, sagt Haase. Diese Parkbilder für künftige Generationen zu bewahren und zu entwickeln – auch über neue Wege – sei Aufgabe der Baumuni und der Gärtner. (dpa)

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