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Brandenburg: Richter: Drogendeal provoziert Angeklagte kommen mit milden Strafen davon

Berlin - Namik A. kann das Gericht an diesem Mittwoch durch den Haupteingang verlassen.

Berlin - Namik A. kann das Gericht an diesem Mittwoch durch den Haupteingang verlassen. Es ist das für die Ermittlungsbehörden desaströse Ende eines Verfahrens, das nach den Worten des Vorsitzenden Richters Wolfgang Dobrikat „in der deutschen Rechtsgeschichte relativ einmalig ist“. Mitte August 2011 wird Namik A., Betreiber eines Cafés in Charlottenburg, mit fast 100 Kilogramm Kokain in Bremerhaven erwischt. Einer „der größten Erfolge bei der Bekämpfung des internationalen Drogenschmuggels der letzten Jahre“, jubeln Zoll und Ermittler damals. Was sie nicht erwähnen: Zu dem Drogengeschäft ist es nach Überzeugung der 25. Großen Strafkammer erst durch die Mithilfe eines V-Mannes des Berliner Landeskriminalamtes gekommen.

Dem Verfahren hafte „ein schwerer Makel“ an, sagt Richter Dobrikat. Detailliert zeichnet er den Verlauf. Angefangen mit dem ersten Hinweis eines unbekannten Mannes im September 2009, Namik A. handele im großen Stil mit Heroin. Ein Verdacht, der sich nie – der Richter betont es mehrfach – bestätigt hat. Es sei legitim gewesen, diesem Anfangsverdacht nachzugehen, sagt er. Auch einen V-Mann in den Kulturverein einzuschleusen sei zulässig gewesen. „Was aber nicht zulässig ist, ist, eine Person zu einer Tat zu provozieren, die dieser Taten gänzlich unverdächtig ist“, betont der Richter. Es gibt kein Heroin und keine Hinweise auf irgendwelche Kontakte zu Drogenlieferanten – all dies hätte zum Einsatzabbruch führen müssen.

Für das Gericht stellt es sich so dar, dass Namik A. zwar scharf auf das große Geld, aber heillos überfordert damit ist, an Drogen heranzukommen. Doch der V-Mann fragt immer wieder nach, was denn nun mit dem Kokain sei, er nervt, macht nach Erkenntnis des Gerichts Druck, kommt mit der Ehre. Über Monate geht das so. Schließlich eröffnet er Namik A. im Juli 2010 auch noch selbst die Gelegenheit, damit er mit den Drogenlieferanten aus Südamerika ins Geschäft kommen kann: eine Einfuhrmöglichkeit nach Europa über Bremerhaven, garantiert zollfrei – dank eines verdeckten Ermittlers des Zolls, der sich als Hafenarbeiter ausgibt. Im August 2011 kommt die Fracht per Schiff in Bremerhaven an. In drei Reisetaschen liegen 97,17 Kilogramm hochreines Kokain.

Das Gericht hat Namik A. unter anderem zu vier Jahren und fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Die Kammer ist trotz der 100 Kilogramm Kokain wegen der unzulässigen Tatprovokation von einem minder schweren Fall ausgegangen. Bis zur Rechtskraft des Urteils darf A. nach Hause. Er muss eine Kaution von 28 000 Euro hinterlegen und seinen Pass abgeben. Vier weitere Männer wurden zu Haftstrafen zwischen gut zweieinhalb und vier Jahren verurteilt. Auch sie erhalten Haftverschonung.Wiebke Ramm

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