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Brandenburg: Richterin wirft Schöneburg Schikane vor Direktorin kämpfte gegen Aus für ihr Arbeitsgericht, jetzt droht Zwangsversetzung – ein Exempel?

Potsdam – Der Fall wirft ein eigentümliches Licht auf die Personalpolitik von Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke): Es geht um Birgit Fohrmann, 51 Jahre, Ex-Direktorin des zum 1. Januar 2012 geschlossenen Arbeitsgerichtes in Senftenberg, das sie in den 18 Jahren vorher ohne Fehl und Tadel geleitet hatte.

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Potsdam – Der Fall wirft ein eigentümliches Licht auf die Personalpolitik von Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke): Es geht um Birgit Fohrmann, 51 Jahre, Ex-Direktorin des zum 1. Januar 2012 geschlossenen Arbeitsgerichtes in Senftenberg, das sie in den 18 Jahren vorher ohne Fehl und Tadel geleitet hatte. Nun ist es eins von zwei Gerichten im Land, die Opfer von Schöneburgs aktueller Justizreform geworden sind. Die fiel damit zwar insgesamt gemäßigt aus, mit einem überschaubaren Personalkarussell. Doch dafür bringt sich das Ministerium nach PNN-Recherchen in den Ruch, die Senftenberger Ex-Direktorin mit Karrierennachteilen zu bestrafen, weil sie es gewagt hatte, vehement gegen die Schließung ihres Gerichtes zu kämpfen, sie etwa im Rechtsausschuss des Landtages Anfang November 2011 im Beisein des Ministers die Pläne als unausgegoren zerpflückte. Seitdem sie dem Minister im Landtag Paroli bot, steht ihr weiteres Fortkommen in der Justiz jedenfalls unter keinem guten Stern. Hatte man ihr vorher noch Posten an den Arbeitsgerichten Potsdam oder Frankfurt (Oder) in Aussicht gestellt, nahm dies das Ministerium danach als angebliches „Missverständnis“ zurück. Und nun droht der Senftenberger Ex-Direktorin womöglich sogar die Zwangsversetzung an das 130 Kilometer entfernte Amtsgericht Bad Freienwalde im Oderbruch, wo sie der Belegschaft als Chefin vorgesetzt würde, oder in die Sozialgerichtsbarkeit. Sie will sich wehren, notfalls gerichtlich. Eine Zwangsversetzung in fachfremde Gerichtsbarkeiten wäre eine Premiere für Brandenburgs Justiz.

In einem Schreiben an das Justizministerium hat der Anwalt Fohrmanns, deren rechtliche Gegenwehr vom Landesverband Brandenburg der Deutschen Justizgewerkschaft (DJG) unterstützt wird, jüngst schwere Vorwürfe erhoben: Es gehe offenbar um eine „Disziplinierung“, eine „verdeckte Maßregelung“, eine „Bestrafung“, und zwar „durch (Zwangs-)Versetzung in ein besonders entferntes oder ein besonders ungeeignetes Gericht“ - allein, weil sich Fohrmann im Rahmen ihres verfassungsrechtlich geschützten Rechts auf freie Meinungsäußerung „begründet wie dezidiert gegen die Auflösung ihres Gerichtes ausgesprochen habe“, heißt es im Brief. Darin verwahrt sich der Anwalt dagegen, Fohrmann jetzt einen Strick daraus zu drehen, dass sie sich im Jahr 2007 in einer anderen persönlichen Situation – zu Zeiten der Justizministerin Beate Blechinger (CDU) – einmal für eine Stelle in Bad Freienwalde beworben hatte. Brisanter ist, dass auf neue Zahlen verwiesen wird, wonach die Schließung des Arbeitsgerichtes Senftenberg im Grunde ein Schildbürgerstreich ist: Danach hat Schöneburg „just das eingangsstärkste Arbeitsgericht in Brandenburg aufgelöst“, also das Gericht mit dem höchsten Geschäftsanfall pro Richter – jährlich 500 Verfahren– unter allen brandenburgischen Arbeitsgerichten, wo jeder Richter im Jahr durchschnittlich 360 Fälle auf dem Tisch hat. Die Zahlen wurden inzwischen dem Rechtsausschuss des Landtages mitgeteilt. Das Ministerium weist in dem Konflikt den Schikane-Vorwurf zwar zurück, will auf PNN-Anfrage aber keine konkrete Auskunft zum Fall geben, da es sich um eine „laufende Personalangelegenheit“ handle. Eine „endgültige Entscheidung“ über die Verwendung der Senftenberger Richter sei noch nicht getroffen. Doch schließt das Justizministerium ausdrücklich Zwangsversetzungen nicht aus. Denn bei der „hier vorliegenden Veränderung in der Einrichtung der Gerichte“ lasse das Gesetz „die Übertragung eines Richteramtes auch in einem anderen Gerichtszweig und ohne Einverständnis des Richters“ zu, so die Begründung. Bei der Entscheidung sei „neben den persönlichen Belangen der Betroffenen im Gesamtinteresse der Justiz und der Rechtssuchenden“ auch zu berücksichtigen, dass die Arbeitsgerichtsbarkeit im Lande personell überbesetzt sei. Die Arbeitsbelastung im richterlichen Dienst der Arbeitsgerichtsbarkeit Brandenburg betrage landesweit „durchschnittlich rund 75%“, während „andere Gerichtszweige demgegenüber eine Unterbesetzung und längere Verfahrenslaufzeiten aufweisen“ würden. Tatsächlich versucht das Schöneburg-Ministerium seit Längerem, Arbeitsrichter zum Wechsel in die überlastete Sozialgerichtsbarkeit zu bewegen, was bislang bis auf wenige Ausnahmen am Veto Betroffener scheiterte. Vor diesem Hintergrund wirft Fohrmanns Anwalt dem Justizministerium vor, bei der Senftenberger Ex-Direktorin ein „abschreckendes Exempel“ zu statuieren, das einen „Effekt in die gesamte Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes bezwecken soll“, im „bloßen Interesse der einseitigen Durchsetzung“ der Personalbedarfsplanung des Landes - und das „frei nach dem amerikanischen Prinzip des ’shock and awe’ – Angst und Schrecken.“

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