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Brandenburg: Rot-Rot und das unliebsame Personal: Rochade von Spitzen-Beamten vor Gericht

Der Abteilungsleiter-Tausch zwischen Brandenburgs Justiz- und Umweltressort landet vor dem Oberverwaltungsgericht. Dieser Rechtsstreit offenbart, dass die Minister der rot-roten Landesregierung ein Problem mit dem Selbstverständnis ihres Beamtenapparats haben. Und es gibt noch mehr Fälle.

Stand:

Potsdam - Der besondere Umgang der rot-roten Ministerriege in Brandenburg mit unliebsamen Abteilungsleitern ist inzwischen legendär – und beschäftigt nun auch die Justiz. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat die Eilanträge gegen die Rochade zweier Abteilungsleiter zwischen Justiz- und Umweltressort abgelehnt. Nun kommt der Fall vor das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG). Konkret geht es um den bisherigen Leiter der Zentralabteilung im Umweltressort, Ralf Andrä. Er wurde im Dezember für ein Jahr einstweilig in das Justizressort abgeordnet und hat dort die Abteilung 3 für Strafrecht, Justizvollzug und Soziale Dienste übernommen. Andrä akzeptierte das Urteil des Verwaltungsgerichts. Susanne Hoffmann, die als Staatsanwältin in Brandenburg Karriere machte, Leiterin der von Andrä übernommenen Abteilung 3 im Justizressort war und wegen „dringender dienstlicher Gründe“ für ein Jahr ins Umweltressort abgeordnet wurde, legte gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Beschwerde ein.

Mit den Eilanträgen auf vorläufigen Rechtsschutz wollten Andrä und Hoffmann feststellen lassen, dass die eingelegten Widersprüche gegen die Abordnung aufschiebende Wirkung für die Abordnung haben. Das lehnte das Gericht ab und begründet dies mit dem Beamtenrecht. Demnach könne den Betroffenen die vorübergehende Pflicht auferlegt werden, in einer anderen Behörde auf einem vergleichbaren Posten zu arbeiten.

Der Potsdamer Anwalt Klaus Herrmann, der beide vertritt, sagte, in beiden Fällen habe das Gericht darauf abgestellt, dass Minister und Staatssekretäre einen Abteilungsleiter in eine gleichwertige Verwendung abordnen dürften, wenn sie sich nicht mehr zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Abteilungsleitern in der Lage sähen. Ob die Vorwürfe, auf die die Hausleitungen den Vertrauensverlust und das Zerwürfnis gestützt haben, tatsächlich auch zutreffen, habe aber in beiden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keine Rolle gespielt. Rechtswidriges oder dienstpflichtwidriges Verhalten sei den Beamten ohnehin nicht vorgeworfen worden. Die Beschlüsse des Gerichts seien unverständlich. „Von den Beamten kann die Unterstützung und Beratung der Vorgesetzten und der politischen Hausleitung der Ministerien nur erwartet werden, wenn sie für ihr rechtmäßiges Verhalten nicht abgestraft und zwangsversetzt werden“, sagte Herrmann. „Die verfassungsrechtlich gebotene Beratungs- und Unterstützungspflicht läuft leer, wenn die Hausleitung die Beratung durch ihre Spitzenbeamten beenden oder durch deren Abordnung vermeiden kann, sobald deren fachliche Meinung politisch nicht genehm ist.“

Möglicherweise steht der Landesregierung noch ein Verfahren bevor. Jüngst hatte auch Bildungsministerin Martina Münch (SPD) einen unbequemen Abteilungsleiter wegen „grundsätzlicher Differenzen in dienstlichen Angelegenheiten“ ins Wissenschaftsressort zwangsversetzt: Andreas Hilligereit, fünfzehn Jahre lang Abteilungsleiter für Jugend und Sport. Nicht nachvollziehen kann Hilliger, dass man ihm wegen fachlicher Voten, Hinweise, Warnungen, also wegen der Pflichterfüllung eines Beamten, eine „nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses“ anlastete. Bei seinem Abschied Anfang März hatte Hilliger gesagt, er befürchte, dass das Schule machen könnte. Und er sprach über „das Charakteristikum einer Verwaltung in einem demokratischen Staat ist und wohin die Reise in Brandenburg geht“. Und darüber wie ein gesundes, funktionierendes Verhältnis von politischer Führung und Fachapparat in Ministerien aussehen müsste. Da mache er sich „ernsthafte Sorgen um das Selbstverständnis“. Hilliger sagte: „Nichts dürfte schlimmer sein als ein Ministerium, in dem nach einer Äußerung der Hausleitung zu einem Sachverhalt nur noch das große Nicken zugelassen ist.“

HINTERGRUND

Die Personalrochade hatten Ex-Justizminister Volkmar Schöneburg und Umweltministerin Anita Tack (beide Linke) vereinbart. Es stand der Vorwurf im Raum, der Minister wolle eine noch unter CDU-Führung eingesetzte Abteilungsleiterin aus parteipolitischen Gründen loswerden. Bei genauem Hinsehen offenbarte sich, dass die Minister der Linken ein Problem mit ihrem Beamtemapparat haben.

Die Justiz lief Sturm gegen die Rochade, Andrä ins Justizministerium zu versetzen. Der Richterbund warf Schöneburg Missachtung der Justiz und Willkür vor und lobte Hoffmann als „anerkannte und in höchstem Maße versierte Strafrechts- und Justizexpertin“. Die CDU bemängelte, dass Andrä ohne juristische Kenntnisse für den Strafvollzug und die Strafverfolgung zuständig ist.

Zudem stand der Vorwurf im Raum, ein Linker Mininster wolle eine aussichtsreiche Nachfolgerin mit CDU-Parteibuch für Generalstaatsanwalt Erardo C. Rautenberg verhindern. Denn Hoffmann war bis zur Abordnung die ranghöchste Staatsanwältin hinter Rautenberg in Brandenburg.

Bis vor zehn Jahren war Hoffmann noch in Berlin tätig. Brandenburgs Ex- Justizministerin Barbara Richstein (CDU) wollte sie im Sommer 2004 mit der Leitung der Staatsanwaltschaft Potsdam betrauen. Unter Beate Blechinger (CDU) wurde Hoffmann dann Leitende Oberstaatsanwältin und Stellvertreterin des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg. Im Frühjahr 2009 ernannte Blechinger die Beamtin zur Ministerialdirigentin, fortan leitete Hoffmann die Zentralabteilung I im Justizressort. Nach der Landtagswahl 2009 und mit der rot-roten Regierung kam es zu Konflikten zwischen Hoffmann und der Ressortleitung. Schon 2010 wollte der Minister die Abteilungsleiterin wieder in die Justiz schicken – was an Formalien scheiterte. Auch Ex-Staatssekretärin Sabine Stachwitz lieferte sich über Monate einen Machtkampf mit Hoffmann. In Schöneburgs Abwesenheit versuchte Stachwitz Hoffmann über eine Kabinettsvorlage loszuwerden – kam damit aber nicht durch. Dann im April 2013 die Versetzung von der Zentral- in die Strafrechtsabteilung 3 – eine erzieherische Maßnahme, hieß es.

Schöneburg hatte lange mit seiner Abteilungsleiterin Hoffmann gehadert. Sie war die ranghöchste Staatsanwältin hinter Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg in Brandenburg . Sie gilt in der Justiz als erfolgreich, zielstrebig und durchsetzungsstark. Ihr wurde im Justizressort vorgeworfen, bei Schöneburgs im Frühjahr durch den Landtag gebrachte Reform des Strafvollzugs und bei der Umsetzung zu bremsen und zu blockieren. Nun soll Andrä unter Schöneburgs Nachfolge im Ministeramt, Helmuth Markov (Linke), als erfahrener und knallharter Sparer und Personalmanager – eine der Kernaufgaben von Zentralabteilungsleitern – nun das Projekt im Justizressort vorantreiben.

Umweltministerin Tack hatte sich schon häufiger über das von ihren Vorgängern übernommene Personal im Umweltressort beklagt. Die Opposition wirft Tack seit Längerem vor, sie habe ihr Haus nicht im Griff. Intern wurde Andrä vorgeworfen, zentrale Vorhaben Tacks immer wieder torpediert zu haben. Andrä galt seit Jahren als starker Mann im Umweltministerium, dem es die Ressortleitung gern überließ, harte Entscheidungen durchzusetzen. Das war schon unter Dietmar Woidke (SPD) als Minister so.

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