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Brandenburg: „Rot-Rot hat kein Konzept zum Abbau der Verfahrensbestände“

FDP-Rechtsexpertin Linda Teuteberg zur Lage an den Sozialgerichten, zu Sparplänen für die Justiz und zur Kritik an den Jobcentern

Stand:

Frau Teuteberg, Sie sind skeptisch, ob die von Justizminister Volkmar Schöneburg angekündigte Entlastung der Sozialgerichte ausreicht. Wieso?

Zwar ist die personelle Verstärkung der Sozialgerichte im Land ein anerkennenswerter Schritt in die richtige Richtung. Die Situation ist aber seit Langem sehr angespannt bei gleichzeitig steigenden Eingangszahlen. Der Antwort der Landesregierung auf meine Anfrage lässt sich nicht entnehmen, ob die Personalausstattung der Sozialgerichte genügen wird, um die künftig eingehenden Verfahren zügig zu bearbeiten. Unverständlich ist, dass trotz der konkreten Frage danach, die Bedarfszahlen nicht nach dem in der Justiz üblichen Schlüssel genannt werden. Dieser Schlüssel bildet den Personalbedarf für die Eingänge in allen Diensten nachvollziehbar ab. Mit der Veröffentlichung dieser Zahlen und einer Gegenüberstellung mit dem tatsächlichen Personaleinsatz könnte die Landesregierung nachweisen, ob die Sozialgerichte nun angemessen ausgestattet sind oder nicht. Allein den mir zur Verfügung gestellten absoluten Zahlen der Eingänge und Bestände lässt sich dies nicht entnehmen. Noch offen ist, ob mit dem aufgestockten Personalbestand tatsächlich ein zügiger Abbau der inzwischen aufgelaufenen Bestände an Altverfahren möglich sein wird. Meine entsprechende Frage wird von der Landesregierung nur mit einem Hinweis auf bereits erfolgte Verstärkungen und drei weitere, befristete Richterstellen ab 2013/2014 beantwortet. Das lässt befürchten, dass es in Wahrheit kein Konzept der Landesregierung zum Abbau der Verfahrensbestände gibt.

Sowohl Schöneburg als auch die Präsidentin des Landessozialgerichts, Monika Paulat, meinen, ein Grund für die vielen Hartz-IV-Klagen im Land seien die von den Jobcenter-Mitarbeitern mangelhaft erstellten Bescheide. Schöneburg sieht zudem handwerkliche Fehler im Hartz-IV-Gesetz. Teilen Sie diese Ansichten?

Statt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollte der Justizminister das tun, was in seiner Verantwortung liegt. Und das ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes an den Gerichten im Land Brandenburg. Mit der Rechtslage im Zuge der Hartz-IV-Gesetzgebung sowie entsprechenden Klagen, sind alle Bundesländer gleichermaßen konfrontiert, nicht nur das rot-rot regierte Brandenburg. Sie sind aber unterschiedlich damit umgegangen. Während die Landesjustizverwaltungen in den alten Bundesländern einigermaßen rechtzeitig mit personeller Verstärkung der Sozialgerichte in verschiedenster Form reagierten, war die Unterstützung hierzulande verhalten bis zögerlich. Einem Kammerbestand von durchschnittlich 500 Verfahren in Brandenburg steht ein Bestand von zum Teil nur etwas mehr als 300 Verfahren in anderen Bundesländern gegenüber.

Dem Vernehmen nach muss der Justizbereich bis 2018 rund 700 Stellen einsparen. Sehen Sie noch Einsparpotenzial?

Für uns Liberale gilt: Die Gewährung zügigen und wirksamen Rechtsschutzes der Bürger ist Kernaufgabe des Staates. Der Rechtsstaat steht für uns nicht unter Finanzierungsvorbehalt. Die notwendige Haushaltskonsolidierung erfordert eine ehrliche Aufgabenkritik und Prioritätensetzung. Auf den Prüfstand gehören liebgewonnene, aber eben nicht zu den eindeutigen Staatsaufgaben zählende Förderprogramme und Landesbeteiligungen. In der Brandenburger Justiz sehen wir keine Spielräume für weitere Kürzungen. Ob der Justizminister sich mit der notwendigen Durchsetzungskraft im Kabinett und gegenüber seinem Parteifreund, dem Finanzminister, für die Dritte Gewalt in unserem Rechtsstaat einsetzt, werden wir genau beobachten und kritisch begleiten.

Die Verfahrensdauer an den Sozialgerichten beträgt derzeit zwischen 14 und 16 Monaten. Ist das ein akzeptabler Schnitt?

Nein, schließlich gilt für die Sozialgerichtsbarkeit wie für alle anderen Gerichtsbarkeiten auch, dass sie den verfassungsrechtlich garantierten Justizgewährungsanspruch der Bürger zu erfüllen hat und ihre Aufgabenwahrnehmung nicht nach Kassenlage gestalten kann. Die Landesverfassung begründet in Artikel 52 Absatz 4 die Verpflichtung des Staates, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit Verfahren zügig beendet werden können. Besondere Bedeutung kommt dabei, wie auch 2009 vom Landesverfassungsgericht festgestellt, der Personalbedarfsberechnung zu. Sie hat den Anspruch des Bürgers auf ein zügiges Gerichtsverfahren zu beachten. Ob dies in Brandenburg derzeit geschieht, ist bei den Zahlen für 2018 sehr fraglich. Laufzeiten von 14 bis 16 Monaten sind weiterhin auch im Bundesvergleich nicht akzeptabel.

Die Fragen stellte Matthias Matern

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