Brandenburg: Rot-Rot lehnt Stolpe-Bericht ab
Enquetekommission: Grüne schwächen Antrag ab. Jetzt sollen die Folgen des Stolpe-Ausschusses nach 1994, nicht aber die Stasi-Kontakte untersucht werden
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Potsdam - Die Enquetekommission wird sich aller Voraussicht nach nicht erneut mit den Stasi-Kontakten von Brandenburgs früherem Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) befassen. Die rot-rote Regierungskoalition im Landtag lehnt diesenVorstoß des Historikers Helmut Müller-Enbergs ab. Der Sachverständige, der selbst Mitglied des Gremiums ist, will am Freitag in der Kommission beantragen, dass ein neuer Bericht zu Stolpe erstellt wird. Darin sollen neue, erst nach Abschluss des Stolpe-Untersuchungsausschusses 1994 aufgetauchte Erkenntnisse ausgewertet werden – allerdings nicht mehr wie ursprünglich geplant neu gefundene Stasi-Akten. Auf diesen Kompromiss hat sich Grüne-Fraktionschef Axel Vogel mit dem von den Grünen berufenen Historiker geeinigt. „Der Antrag wird noch einmal umformliert“, sagte Vogel. Es werde keinen neuen Untersuchungsausschuss zu Stolpe geben. „Wir wollen aber eine Diskussion, welche Folgen der damalige Untersuchungsausschuss für das Land hatte und welche Weichenstellungen sich daraus erklären lassen.“
SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher sagte, „es ist ein überflüssiger Antrag. Seit 17 Jahren liegt alles auf dem Tisch.“ Einen „zweiten Stolpe-Untersuchungsausschuss“ werde es nicht geben. Zudem sei sei es „definitiv“ nicht mit dem Auftrag der Enquetekommission gedeckt, sich erneut mit Stolpe zu befassen. Holzschuher wertete den Antrag als Versuch, das Gremium zu instrumentalisieren. Auch Linksfraktions-Chefin Kersten Kaiser zeigte sich von dem Vorstoß überrascht, er werde aber geprüft. Wie die Kommissionsmitglieder der Linksfraktion, Kaiser selbst und Peer Jürgens, am Freitag abstimmen werden, wollte die Fraktionschefin nicht sagen. Sie nannte Müller-Enbergs ein „lebhaftes, engagiertes Mitglied“ der Kommission, deren Aufgabe es nicht sei, ein „solches Gutachten zu verfassen“.
Anlass für den Antrag von Müller-Enbergs ist der Streit um ein früheres Gutachten der Kommission, das sich mit der nachlässigen Praxis in der Landesverwaltung, aber auch im ersten Landtag nach 1990 bei der Stasi-Überprüfung beschäftigt. Demnach hätten Stolpe und ein knappes Dutzend weiterer Parlamentarier ihr Mandat wegen früherer Stasi-Mitarbeit zurückgeben müssen. Überdies stellten die Gutachter Hanns-Christian Catenhusen und Gisela Rüdiger wie auch zuvor die Stasi-Unterlagenbehörde fest, dass Stolpe ein wichtiger Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit gewesen sei.
In dem Antrag heißt es, die Kommission nehme die Kritik an dem Gutachten ernst – darunter die Hinweise auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen einen CDU-Politiker, dem die Behauptung untersagt wurde, Stolpe habe aktiv für die Stasi gearbeitet. Vogel erklärte, mit dem Antrag wolle man Holzschuhers Kritik aufnehmen und genau daran mit dem Bericht ansetzen – dass das Gutachten neueste Erkenntnisse der Forschung, der Kirche und neue Urteile zum Fall Stolpe nicht berücksichtigt habe. Seit 1994 aufgetauchte Stasi-Unterlagen zu Stolpe sollen aber nicht ausgewertet werden.
Am Freitag soll auch der vakante Sitz eines Sachverständigen in der Kommission neu besetzt werden. Neues, von der SPD berufenes Mitglied soll Ingo Juchler, Professor für politische Bildung an der Universität Potsdam, werden. Er hatte bereits das Gutachten zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte und der friedlichen Revolution im Schulunterricht erstellt. Sein Vorgänger in der Kommission, der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel, war Mitte Juni zurückgetreten. Er hatte einigen Mitgliedern des Gremiums eine „rückwärtsgewandte“ Diskussion vorgeworfen und kritisiert, dass eine Reihe von Gutachten einem „platten politischen Meinungskampf“ dienten. SPD-Fraktionschef Holzschuher hatte vollstes Verständnis für Merkel geäußert. Seither sind die Fronten zwischen Rot-Rot und Opposition in der Kommission verhärtet. (mit thm)
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