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Von Alexander Fröhlich: Rot-Rot rettet Schüler-Bafög – mit blauem Auge
Auch im nächsten Jahr bekommen Abiturienten aus Hartz-IV-Familien den Landeszuschuss
Stand:
Potsdam - Schüler-Bafög soll es in Brandenburg auch 2011 für Abiturienten aus Hartz-IV-Familien geben. Die rot-rote Regierungskoalition sieht damit eines ihrer Prestigeprojekte gerettet. Bislang war die Zahlung von monatlich 50 bis 100 Euro für Kinder von Hartz-IV-Empfängern bis zum Jahresende befristet. Das soll nun in zwei Wochen im Landtag aufgehoben werden. An den drei Sitzungstagen wollen die Koalitionäre die Gesetzesänderung noch rechtzeitig vor dem Jahreswechsel durchpeitschen. „Wir sind mit einem blauen Augen davon gekommen“, hieß es aus der Linksfraktion. Noch nicht absehbar sei, ob das Land oder die Empfänger die Verwendung des Schüler-Bafögs gegenüber den Sozialämtern detailliert nachweisen müssen, wenn sie Hartz IV erhalten. „Da könnte noch einiges auf uns zukommen, ein enormer Verwaltungsaufwand“, hieß es. Bislang müssen die Empfänger von Schüler-Bafög nicht darlegen, wofür sie das Geld ausgeben. Das Gesetz sieht auch keine Kontrollen vor.
Rot-Rot wertet die neue Lösung nun als wichtigen Schritt, um eigene Wahlversprechen zu halten, was zu scheitern drohte. Denn über Monate war völlig unklar, wie es mit dem Landeszuschuss für Schüler der 11. bis 13. Klassen aus einkommensschachen Familien weitergeht, weil der Bund nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Hartz-IV-Sätze und Bildungsausgaben neu berechnen musste. Daher bestand die Gefahr, so Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser, „dass ungerechterweise Kinder aus Hartz-IV-Familien kein Schüler-Bafög bekommen hätten, weil dies angerechnet worden wäre“. Für die Linke wäre das ein politisches Desaster gewesen, wovor einzelne Mitglieder ausdrücklich gewarnt hatten. Doch die Linke hatte sich trotz aller Bedenken auch von Gewerkschaften und Experten dem Druck der SPD-Fraktion gebeugt – obwohl zu befürchten stand, dass das eigene Ziel verfehlt wird: Einen Anreiz zu schaffen, damit mehr Kinder aus ärmeren Familien das Abitur machen. Es sind nämlich jene, die von dem Landesprogramm profitieren. 997 Anträge von Schülern aus einkommensschwachen Familien sind laut Kaiser bislang bewilligt worden, die Hälfte davon kommen aus Elternhäusern mit Hartz IV. Zu insgesamt 1620 Anträgen seien 1250 Bescheide ergangen.
Nun würde der Landeszuschuss nicht mehr auf Hartz IV angerechnet, „diese Gefahr ist abgewendet“, sagte Kaiser. Das Gesetz solle nun konkretisiert, „wasserdicht“ gemacht werden. „Wir sagen jetzt, für welche Zwecke es Schüler-Bafög gibt.“ Laut Gesetzesnovelle soll das Schüler-Bafög der Deckung „ausbildungsspezifischer Bedarfe“ dienen, was alle „Aufwendungen für Bildungszwecke“ umfasst, die „den schulischen Kompetenzerwerb fördern“. Damit sei ausgeschlossen, dass sich das Schüler-Bafög mit den Bildungsprogrammen des Bundes für Kinder aus Hartz-IV-Familien überschneidet. Dazu habe es entsprechende Absprachen mit dem Bundessozialministerium gegeben, sagte Kaiser. Zudem gebe es eine Bundesratsinitiative der SPD-geführten Länder, wonach Bildungszuschüsse nicht auf Hartz IV angerechnet werden sollen.
Die geplanten Leistungen des Bundes seien zudem noch unklar, sagte Kaiser. „Es ist nachgewiesen, dass die Kosten, die die Bundesregierung veranschlagt hat, nicht realistisch sind.“ Daher gibt es Schüler-Bafög, wenn die Hilfen des Bundes den Bildungsbedarf nicht decken. Der Bund habe etwa zehn Euro pro Monat für den Besuch einer Musikschule berechnet, nötig seien 40 Euro. Konkret soll das Schüler-Bafög Kosten etwa für Schulmaterial und Laptops decken – oder für Nachhilfe. Bei dieser knüpft der Bund Sozialgelder daran, ob ein Schüler versetzungsgefährdet ist. Landesgeld soll es aber bereits geben, wenn Abiturienten ihre Noten verbessern wollen. Schulausflüge, Klassenfahrten und Mittagessen können nicht mit Schüler-Bafög finanziert werden.
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