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Von Thorsten Metzner: Rot-Rot-Rotstift beim Verfassungsschutz

Kabinett streicht jede fünfte Stelle beim Nachrichtendienst / Ex-Innenminister Schönbohm reagiert empört

Stand:

Potsdam - Es ist amtlich: Trotz im Bundesvergleich weiterhin größerer rechtsextremistischer Gefahr als anderswo setzt Brandenburgs rot-rote Landesregierung radikal den Rotstift beim Verfassungsschutz an. Bis 2014 werden dort 25 von derzeit 115 Stellen gestrichen. Betroffen ist jede fünfte Stelle. Das geht aus der den PNN vorliegenden detaillierten „Personalbedarfsplanung 2014“ der Regierung hervor, die von Finanzminister Helmuth Markov (Linke) vorgelegt und jüngst mit dem Segen von Innenminister Rainer Speer (SPD) im Kabinett beschlossen wurde. Allerdings wurden solche brisanten Details der Öffentlichkeit bislang vorenthalten. Die 90 Verfassungsschützer ab 2014 entsprechen dem Niveau von 1996, als der märkische Verfassungsschutz allgemein als „zahnloser Tiger“ galt. Erst unter Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) war daraus ab 1999 ein schlagkräftiger Nachrichtendienst geformt worden. Schönbohm, der bislang Entscheidungen seines Nachfolgers nicht kommentierte, reagierte mit offener Empörung: „Die Regierung verspielt Glaubwürdigkeit und Leistungsfähigkeit des Verfassungsschutzes“, sagte Schönbom am Montag den PNN. Dabei bestehe im Land „die rechtsextreme Gefahr weiter“, sei das „Ausmaß der Bedrohungen durch islamistischen Terror nicht abschließend geklärt“. Er verwies darauf, dass die Aufstockung des Verfassungsschutzes in der Großen Koalition – Höchststand waren 134 Mitarbeiter 2004 – Konsens war. „Man riskiert, was wir in zehn Jahren gemeinsam erarbeitet haben.“ Er könne jedenfalls „keine sachlichen Gründe“ erkennen, die die Kürzungen rechtfertigten. Schon der Begriff Bedarfsplanung sei „irreführend“: „Es geht um eine Finanzplanung, dem sich das Personal anzupassen hat, ohne die Aufgaben zu definieren.“ Und Brandenburgs Verfassungsschutz hat mit derzeit 115 Mitarbeitern keine üppige Ausstattung: Das Amt in Berlin hat nach PNN-Informationen 188 „Schlapphüte“, in Niedersachsen sind es 260 Mitarbeiter, in Sachsen 207, in Hessen 200 Mitarbeiter. Sachsen-Anhalt hat 110 Mitarbeiter, ohne Kürzungspläne. Allerdings gibt es auch einige wenige Länder, die sich einen kleineren Verfassungsschutz leisten, etwa das Saarland (79), Schleswig-Holstein (93), Thüringen (97). Dagegen hat Bayern 450, Westfalen 338 und Baden-Württemberg 332 Verfassungsschützer.  In der Behörde selbst ist man dem Vernehmen nach irritiert, dass die Entscheidung mit Unterstützung Speers durchgezogen wurde, ohne dass dieser sich ein genaueres Bild gemacht habe, wie es hieß.

Und zumindest die bürgerliche Opposition von CDU und FDP kündigt Widerstand an. „Der Verfassungsschutz wird in wichtigen Feldern nicht mehr arbeitsfähig sein“, warnt etwa CDU-Innenpolitiker und Ex-Verfassungsschützer Sven Petke. „Es wird kein Partner auf Augenhöhe mehr sein. De facto gibt die Regierung den Verfassungsschutz auf“. FDP-Fraktionschef Hans Peter Goetz verwies darauf, dass „Erfolge bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus auch dem Verfassungsschutz zu verdanken sind“. Es sei immer das Gleiche: „Man gibt eine Zahl vor - und guckt dann, wie es irgendwie geht.“ Dagegen verteidigte Linke-Innenpolitiker Hans-Jürgen Scharfenberg die Pläne als „vertretbar“. Der Verfassungsschutz sei unter Schönbohm schließlich „aus politischen Gründen aufgebläht“ worden.

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