Von Alexander Fröhlich: Rot-Rot streitet über den Ausbau der Windkraft
SPD wirft Umweltministerin Tack vor, gegen Naturschützer im eigenen Haus machtlos zu sein
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Potsdam – Brandenburgs rot-rote Regierungskoalition will für die ehrgeizigen Ziele beim Ausbau erneuerbare Energien Wälder und Schutzgebiete für Windräder öffnen. Allerdings stoßen die Pläne im Umweltministerium, geführt von Anita Tack (Linke), auf Widerstand. Bereits im Sommer sollte Tack Einzelheiten vorlegen, es geht um Abstandskriterien zu Brut- und Rastzonen geschützter Vögel wie etwa Seeadler und Kranichen, aber auch um Windrad-Rotoren, die sich in Schutzgebieten und über den Wipfeln von Nutzwäldern drehen sollen. Ein angekündigter Erlass ist mehrmals verschoben worden, der bisherige Termin Anfang November ist nicht mehr zu halten. Frühestens im ersten Quartal sei mit dem Papier zu rechnen, sagte Tack. Daran hängt auch die neue Energiestrategie der Landesregierung, die bereits in diesem Jahr, nun aber erst 2011 vorgelegt werden soll.
Es ist ein interner Machtkampf, der die Windkraft-Pläne blockiert. Die mächtige Naturschutz-Abteilung im Umweltressorts wehrt sich erbittert gegen die Pläne des Wirtschaftsressorts unter Ralf Christoffers (Linke) und der Koalitionsfraktionen. Nun gerät Umweltministerin Tack selbst bei ihren Parteigenossen im Landtag in Erklärungsnot, öffentlich düpieren wollen sie ihre Linke-Ministerin aber nicht. Aus der SPD-Fraktion wird Tack fehlende Führungskraft vorgehalten, weil sie die verschiedenen Lager in ihrem Haus – Naturschützer und Klimaschützer – nicht im Griff habe. FDP-Energieexperte Gregor Beyer, trotz Oppositionsrolle in dieser Frage in engem Kontakt zum Regierungslager, sagte: „Es stellt sich mittlerweile die Frage, wer im Umweltministerium eigentlich die Richtlinienkompetenz hat – die Ministerin offenbar nicht.“
Eine Reihe von Koalitionsabgeordneten beraumte nun ein Krisengespräche an und versuchte dabei Tack und deren Ministerielle auf Linie zu bringen. Auch Wirtschaftsminister Christoffers und Infrastrukturstaatssekretär Rainer Bretschneider waren dabei. Ziel ist eine Vorrangregelung für erneuerbare Energien bei den zunehmenden Konflikten mit Natur- und Landschaftsschutz bei der Festlegung neuer Windparks. Die tierökologische Abstandskriterien sollen aufgeweicht werden. Nach neuesten Erkenntnissen stören sich etwa Kraniche an ihren Rastplätzen weit weniger an den Windparks. Eine Experten-Kommission prüft 31 Arten.
Streit gibt es aber über die Schutzgebiete, das Umweltministerium besteht auf einer Einzelfallprüfung. Aus Koalitionskreisen hieß es, der Naturschutz-Apparat torpediere die Pläne für Windräder in Landschaftsschutzgebieten. Bereits im Vorfeld hatte der Landesverband Windenergie immer „aufwendigere Untersuchungen zum Naturschutz“ beklagt, „die in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu den vermuteten Schäden stehen“. Die beiden Landräte der windreichen Kreise Uckermark und Barnim, Dietmar Schulze und Bodo Ihrke (beide SPD), hatten kürzlich bei Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) protestiert, mit den strengen Vorgaben sei der gewollte Ausbau erneuerbarer Energien nicht zu erreichen. Rot-Rot will deren Anteil am Primärenergieverbrauch über die bisherige Zielmarke von mehr als 20 Prozent steigern. Zwei Prozent der Landesfläche sollen für Windparks ausgewiesen werden, derzeit sind es 1,25 Prozent. In Deutschlands fünftgrößtem Bundesland fehlt es aber an ausreichend geeigneter freier Fläche. Deshalb müssten, so die rot-roten Planspiele, auch alte Militärliegenschaften, Wälder und Flächen direkt an Verkehrsachsen wie den Autobahnen und Bahntrassen stärker genutzt werden – und eben auch Schutzgebiete. Gestärkt sieht sehen sich die Koalitionäre durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Das kippte Mitte September ein aus Sicht der Richter zu restriktives Regelwerk der Regionalen Planungsstelle Havelland-Fläming, weil es dem Ziel des privilegierten Ausbaus der Windenergie widerspreche. Das Umweltministerium will das „erste inhaltliche“ Urteil zu Windpark-Kriterien prüfen, damit der Erlass zu den Schutzgebiets rechtssicher ist.
Indes plant die Stadt Luckau (Dahme-Spreewald) einen Neuanlauf für eine Windradsteuer. Das Innenministerium wird die Abgabe aber aller Voraussicht nach erneut ablehnen.
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