Von Thorsten Metzner: Rot-rote Regierungsbildung: Spannung bis zum Schluss
Strenge Frauenquote bringt Linke in die Bredouille / Auch neuer Zuschnitt der Ressorts möglich
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Potsdam - Spannung bis zum Schluss bei der rot-roten Regierungsbildung im Land Brandenburg: Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Linken werden am Dienstag beendet. Um die Verteilung und Besetzung der neun Ressorts wird deshalb hinter den Kulissen längst gepokert, von Emissären beider Seiten in diskreten Runden sondiert. Erste Grundzüge des rot-roten Kabinetts stehen auch schon. Nach PNN-Informationen haben sich beide Seiten zumindest bereits darauf „vorverständigt“, dass die Linken die Ressorts Wirtschaft, Finanzen und Justiz erhalten sollen, während es um das vierte Ministerium für die Linken ein Tauziehen gibt. Eine Gesamt-Einigung konnte bis Sonntag noch nicht erzielt werden. Ein informelle Schlusssondierung war für die Nacht zum Montag angesetzt. Überraschende Wendungen – auch ein Tausch von Ressorts – sind daher nicht ausgeschlossen.
Bisher gilt als gesetzt, dass der anerkannte Linke-Wirtschaftsexperte Ralf Christoffers neuer Wirtschaftsminister werden soll. Das Justizministerium soll voraussichtlich der Verfassungsrichter Volkmar Schöneburg übernehmen, wobei, wenn auch als weniger wahrscheinlich, Stefan Ludwig, Vize-Parteichef der Linken und Ex-Bürgermeister von Königs Wusterhausen genannt wird. Das rot-rote Dilemma beginnt mit dem Finanzressort. Weil Amtsinhaber Rainer Speer (SPD) nach bisherigen Plänen von Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) neuer Innenminister werden soll, ist es den Linken als Querschnittsressort angeboten worden – was diese in die Bredouille bringt. Zwar könnte es, wie erwogen wird, durchaus etwa von Christian Görke, dem parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktion und engsten Vertrauten der Fraktionschefin Kerstin Kaiser besetzt werden. Görke ist derjenige, der - bislang allgemein unterschätzt – im Hintergrund längst direkt mit der SPD verhandelt, wenn es während der Koalitionsverhandlungen ums Eingemachte, um Personal und Finanzen geht – die schwierigsten Fragen bei den rot-roten Koalitionsverhandlungen. Anderseits sei Görke als Parlamentsgeschäftsführer eigentlich „unverzichtbar“, um die Stabilität der Regierungsfraktion zu sichern, heißt es.
Außerdem gibt es bei den Linken, wie bei den Grünen, eine strenge Frauenquote – was am Sonntag fieberhafte Aktivitäten auslöste. Die Linken suchten nach PNN-Informationen außerhalb Brandenburgs nach einer ministrablen Finanzexpertin. Für den Fall, dass man nicht fündig wurde, machten Strategen auch schon mal vorsorglich eine Alternativ- Rechnung: Die Frauenqoute wäre danach auch erfüllt – wenn man mit Fraktionschefin Kaiser und Vize-Landtagspräsidentin Gerlinde Stobrawa alle wichtigen Posten miteinrechnet. Dann genüge eine Linke-Ministerin im Kabinett – für das vierte, umkämpfte Ressort. Allerdings galt als unsicher, ob dies der Basis zu vermitteln wäre.
Die Linken versuchen, der SPD das Bildungsministerium für die eigene profilierte Schulexpertin Gerrit Große abzutrotzen – bislang vergeblich. Bildung ist für die SPD das strategische Schlüsselressort. Offen blieb dem Vernehmen nach deshalb, ob die Linke etwa stattdessen Infrastruktur (für Verkehrsexpertin Anita Tack) oder Agrar- und Umwelt (für die Fachpolitikerin Kornelia Wehlan) erhält. Erwogen wird dabei auch ein neuer Zuschnitt, etwa ein Ministerium für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz nach Berliner Vorbild, da die SPD den Bereich „Landwirtschaft“ wegen der einflussreichen Agrarlobby und der Verankerung in den Dörfern behalten will. Allerdings ist unklar, wo „Agrar“ stattdessen angedockt werden könnte.
In Abhängigkeit von diesen Unwägbarkeiten dreht sich auch auf SPD-Seite das Personalkarussell, hängt etwa ab, ob Infrastrukturminister Reinhold Dellmann auf diesem Posten bleibt – oder womöglich Chef der Landtagsfraktion wird. Nach den bisherigen Szenarien soll neben Speer als Innenminister der bisherige Fraktionschef Günter Baaske Arbeits- und Sozialminister werden. Für das Wissenschafts- und Kulturministerium ist die Lausitzer Abgeordnete Martina Münch vorgesehen, die bisher den Wissenschaftsausschuss leitete. Allerdings hätten die Sozialdemokraten dann wieder nur eine Frau im Kabinett.
Noch ist im rot-roten Poker um Platzecks drittes Kabinett alles möglich.
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