Brandenburg: Rückkehr der Bilderbibel
Die letzten Frankfurter Marienkirchfenster sind seit gestern aus Russland zurück
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Frankfurt (Oder) - Sechs schwarz-weiße Glasfelder stechen aus den drei ansonsten farbenprächtigen mittelalterlichen Fenstern im Chor der Marienkirche zu Frankfurt (Oder) hervor. „Für jeden Besucher war der Schmerz der fehlenden Scheiben seit dem Wiedereinbau am 29. Juni 2007 damit deutlich sichtbar“, sagt der Vorsitzende des Marienkirchen-Fördervereins, Helmut Labitzke. Denn im Jahr 2002 waren nur 111 der 117 einst von russischen Kulturoffizieren verschleppten Bleiglasfelder zurückgekehrt. Die fehlenden Scheiben galten damals noch als verschollen und wurden erst 2005 zufällig in einem Depot des Moskauer Puschkinmuseums entdeckt.
>Jetzt ist klar, dass die sechs provisorischen Scheiben bald herausgenommen und durch die farbigen Originale ersetzt werden können. Nach langen, zähen Verhandlungen und der neuerlichen Zustimmung des russischen Parlaments kehrten die letzten Felder am Montag in die Marienkirche zurück. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) und Russlands Botschafter Wladimir Kotenew öffneten gemeinsam mit Restauratorin Sandra Meinung die Transportkiste. Die rund 200 Besucher konnten zwei der sechs Motive aus dem sogenannten Schöpfungsfenster – „Baum der Erkenntnis“ und „Noah sendet eine Taube aus“ - auf einem Leuchttisch bewundern.
Mit der Rückgabe könne ein einzigartiges Gesamtkunstwerk aus der Gotik wieder hergestellt werden, das für die deutsche Kulturgeschichte von großer Bedeutung sei, sagte Neumann. Dies mache zuversichtlich, dass trotz aller Probleme kleine Schritte bei der Rückgabe „kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter“ möglich seien. Neumann verwies darauf, dass noch „beträchtliches Kulturvermögen“ in russischen Archiven lagere. Das Völkerrecht lege fest, dass Kulturgüter nicht als Reparationsleistungen vereinnahmt werden dürfen. „Dies ist und bleibt die Linie der Bundesregierung“, sagte er. Die Aussicht auf die Rückgabe weiterer Kulturgüter durch Russland sei „durchaus realistisch“, fügte Neumann hinzu. Gegenwärtig sind nach seinen Angaben vier deutsch-russische Arbeitsgruppen tätig, die sich unter anderem mit Kulturgütern wie der Bibliothek der Grafen zu Hardenberg, der Baldin-Sammlung der Kunsthalle Bremen und der Silbersammlung der Familie von Anhalt beschäftigen. Wobei diese Kulturgüter nicht direkt unter das Beutekunstgesetz fielen.
Kotenew sagte, er sehe die Harmonie der Marienkirchfenster auch als Symbol für die „Harmonie zwischen dem deutschen und dem russischen Volk“, die gepflegt werden müsse. Zugleich betonte er, dass es bei der Beutekunst „keine russische Bringschuld“ gebe, sondern es um eine gegenseitige Rückführung gehe. Der Botschafter verwies darauf, dass bei dem Raubzug der Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche russische Museen ausgeplündert worden seien. Er erinnerte daran, dass erst Ende Oktober der 50. Jahrestag der Rückgabe von über 1,5 Millionen Kunstwerken aus der Sowjetunion an DDR-Museum begangen worden war.
Frankfurts Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) sagte, dass bei aller großen Politik für die Frankfurter in erster Linie die Freude über die Rückkehr der letzten Scheiben überwiege. Auch wenn die am Montag ausgepackten Bleiglasfelder deutliche Spuren der 60-jährigen Odyssee tragen. „Wir versprechen, dass die Scheiben in spätestens einem Jahr an den Fehlstellen sitzen, wo wir jetzt noch schwarz-weiße Motive haben“, sagte der Oberbürgermeister. Jörg Schreiber
Jörg Schreiber
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