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Brandenburg: Sabrow zieht positive Bilanz zur DDR-Enquete

Historiker sieht Gewinn für politische Kultur. „In der Aufarbeitung der Aufarbeitung“ seien Maßstäbe gesetzt worden

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Potsdam - Brandenburgs DDR-Enquete-Kommission hat sich nach Einschätzung des Historikers Martin Sabrow bewährt und wichtige Ergebnisse vorgelegt. So habe die Kommission inhaltlich vor allem mit dem Mythos der „Kleinen DDR“ und eines Sonderwegs unter Manfred Stolpe „ziemlich aufgeräumt“, sagte der Direktor des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung: „Die öffentliche Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit unterschied sich nur graduell von der in anderen Beitrittsländern.“

Dabei seien in Brandenburg jedoch drei Besonderheiten sehr auffallend, betonte Sabrow. Dazu zählten die Prägung durch Manfred Stolpe als „Landesvater mit MfS-Kontakten, der politisch den Ausgleich suchte und als Person wegen seiner gegensätzlich bewerteten Stasi-Verstrickung polarisierte“, und die „skandalös lange ausgebliebene Bestellung eines Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur“. Auch die Abkehr von der Stasi-bezogenen Regelanfrage im Öffentlichen Dienst sei eine Besonderheit.

Mit der Enquete-Kommission habe das Land die Bearbeitung von Defiziten und Grauzonen in Angriff genommen und so „in der Aufarbeitung der Aufarbeitung sogar Maßstäbe gesetzt“, betonte Sabrow: „Auch nach Zahl und Bedeutung außerschulischer Lernorte zur DDR steht Brandenburg heute beispielgebend da.“ Insgesamt habe die politische Kultur in Brandenburg „unterm Strich durch die Enquete gewonnen“, betonte Sabrow. Die Kommission habe sich im Laufe ihrer Arbeit „mehr und mehr die entscheidende Leitlinie demokratischer Vergangenheitsaufarbeitung zu eigen gemacht“, dass eine vielschichtige Auseinandersetzung mit der DDR nicht bedeute, deren Unrechtscharakter zu verwischen und den Unterschied von Diktatur und Demokratie zu leugnen.

Auch die Abschlussempfehlungen hielten „überzeugend die Balance zwischen politischer Versöhnung und historischer Erinnerung“, betonte Sabrow. So würden alle brandenburgischen Parteien zur kritischen Aufarbeitung ihrer Parteigeschichte gedrängt und eine bessere Ausstattung der diktaturgeschichtlichen Gedenkstätten und Dokumentationsstellen im Land angemahnt. Auch die Empfehlung für eine Stiftungsprofessur zur Diktaturforschung sei wegweisend.

Bedauernswert sei jedoch, dass sie das „beklagenswert ausgetrocknete Dokumentationszentrum in Eisenhüttenstadt übergehen“, in dem ohne stärkeres Landesengagement die weltweit bedeutendste Sammlung zur DDR-Alltagskultur zu einem Schattendasein verurteilt sein werde, kritisierte Sabrow.

Der brandenburgische Landtag will sich am kommenden Mittwoch in seiner 91. Sitzung der laufenden Wahlperiode mit dem Abschlussbericht der Enquete-Kommission befassen. Für die Debatte sind knapp zwei Stunden eingeplant, deutlich mehr als üblicherweise bei Gesetzesvorhaben. Das mehr als 400 Seiten umfassende Dokument mit 80 Handlungsempfehlungen wurde Mitte März in der 40. und letzten Sitzung des Gremiums an Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) übergeben. Die Enquete-Kommission hat seit Beginn ihrer Arbeit im Juni 2010 fast 80 Experten und Zeitzeugen angehört und knapp 30 Gutachten diskutiert.

Die Kommission spricht sich unter anderem für weitere Stasi-Überprüfungen von Abgeordneten, mehr Zeitzeugen im Schulunterricht und mehr Hilfen für Opfer aus. Empfohlen wird auch, SED, Blockparteien und vormilitärische Organisationen der DDR bei der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stärker in den Blick zu nehmen. Die Debatte über die politische Verantwortung im SED-Staat sei bisher zu stark auf die Stasi-Mitarbeit verkürzt worden, heißt es im Abschlussbericht.

Dem Gremium ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hatte wie berichtet der Politiloge Helmut Müller-Enbergs. Erneut sei verklärt und verschiegen worden, hatte er kritisiert. Müller-Enbergs saß für die Grünen in der Kommission.

Yvonne Jennerjahn

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