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Brandenburg: „Sargnagel für die Agro-Gentechnik“
Urteil der EU-Richter zu gentechnisch verunreinigtem Honig stößt im Land Brandenburg auf Zustimmung
- Jan Kixmüller
- Matthias Matern
Stand:
Berlin/Potsdam - Befürworter der sogenannten Grünen Gentechnik haben einen schweren Rückschlag zu verkraften. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Dienstag dürfte der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen innerhalb der Europäischen Union wohl kaum noch eine Zukunft haben. Die Richter in Luxemburg gaben der Klage eines Augsburger Imkers statt, der den Freistaat Bayern auf Schadensersatz verklagt hatte. Eine Landesbehörde hatte ihm zuvor den Verkauf seines Honigs untersagt, weil in seinem Produkt Pollen einer gentechnisch verändertern Maissorte nachgewiesen worden waren. Die Fläche, auf der die verunreinigten Pollen gesammelt worden waren, gehört dem Land Bayern. Im Land Brandenburg wurde das Urteil am Mittwoch weitgehend begrüßt und als Etappensieg gegen die Grüne Gentechnik gefeiert.
Denn die EU-Richter sprachen nicht nur dem Imker das Recht auf Schadensersatz zu, sondern stellten grundsätzlich fest, dass Honig mit gentechnisch veränderten Pollen nicht ohne vorhergehende Prüfung und Zulassung verkauft werden darf. Seit Jahren wird in Deutschland über die potenziellen Gefahren gentechnisch veränderten Pflanzen gestritten. Imker, aber auch konventionell produzierende Landwirte und Biobauern befürchten, dass ihre Produkte durch nahe Anbauflächen genetisch veränderter Kulturen verunreinigt werden könnten und ihre Erzeugnisse somit unverkäuflich würden. Diskutiert wird vor allem die Haftungsfrage. Allerdings hatte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) zumindest den Anbau von Genmais in Deutschland 2009 wegen unabschätzbarer Risiken verbieten lassen.
„Wir begrüßen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs und die Null-Toleranz-Politik, dass keine Genorganismen geduldet werden“, freute sich gestern Holger Ackermann, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit beim Landesverband brandenburgischer Imker. „Das ist ein ganz klares Zeichen für uns und für den Anbau von Honig“, so Ackermann.
Zustimmung kam auch vom Bauernbund Brandenburg, der vor allem bäuerliche Familienbetriebe vertritt. „Das Urteil stärkt die Rechte der riesengroßen Mehrheit der Landwirte, die auch künftig gentechnikfrei produzieren will“, sagte Bauernbundsgeschäftsführer Reinhard Jung. „Die Sektierer, die immer noch in der Gentechnik einen ominösen Fortschritt sehen, müssen sich warm anziehen.“
Für Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg ist der Richterspruch sogar „ein historischer Meilenstein für eine Landwirtschaft ohne Gentechnik“: „Das könnte jetzt der letzte Sargnagel für die Agro-Gentechnik sein. Für den Ökologischen Landbau, aber auch für alle Imker ist das ein echter Lichtblick“, so Wimmer.
Verhaltener reagierte der Landesbauernverband Brandenburg. „Erstmal muss analysiert werden, ob das Urteil tatsächlich das Aus für die Grüne Gentechnik in Europa bedeutet“, sagte Verbandssprecher Holger Brantsch „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine friedliche Koexistenz möglich sein muss.“ Sollte künftig zwar der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU verboten sein, doch der Import von Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Zutaten aus Ländern wie der USA erlaubt bleiben, wäre das eindeutig eine Wettbewerbsbenachteiligung für Europa, sagte Brantsch.
Aus Sicht der brandenburgischen Bundestagsabgeordneten Kirsten Tackmann (Linke) nimmt das Urteil die Bundesregierung in die Pflicht. Diese müsse nun „die Imkerei wirksam vor den Gentech-Pflanzen schützen“. „Die Einführung von kilometerweiten Sicherheitsabständen des Gentech-Feldes zu Bienenständen wäre nur eine Notlösung, da sie Verunreinigungen nicht sicher ausschließen kann“, meinte Tackmann. Gestern hatte Aigner angekündigt, den bisher gültigen Mindestabstand von 150 Metern zu konventionellen Ackerflächen und 300 Metern zu ökologisch bewirtschafteten Feldern auf den Prüfstand stellen zu wollen.
Die Grünen-Argarexpertin in Brandenburgs Landtag, Sabine Niels, warnte davor, dass es trotz des Genmais-Verbots zu Verunreinigungen des Honigs kommen könnte, etwa „wenn Bienen von der in Deutschland zugelassenen gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora den Honigtau von Blattläusen einsammeln“. „Es ist jetzt endlich an der Zeit, auch in Brandenburg die Gründung von weiteren gentechnikfreien Regionen zu fördern“, fordert Niels von der Landesregierung.
Dass Honig aus Brandenburg gentechnisch verunreinigt sein könnte, schloss das Landesverbraucherschutzministerium gestern jedoch aus. In diesem Jahr gebe es keinen kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Damit sei der von den märkischen Imkern angebotene Honig auch ohne Spuren von Genpflanzen, versicherte Ministeriumssprecherin Alrun Kaune-Nüßlein. Das Ministerin Aigner jetzt über größere Abstände nachdenkt, sei zu begrüßen.
Von der Wissenschaft dagegen wird der Richterspruch als weiteres Hemmnis für die Gentechnik-Forschung kritisiert. Das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm sieht sich von dem Urteil zwar nicht direkt betroffen. Seit vier Jahren würden hier keine Freisetzungsversuche mehr vorgenommen, erklärte die Instituts-Sprecherin Ursula Roß-Stitt gestern. Allerdings sehen sich die Forscher indirekt beeinträchtigt. Bereits die Novellierung des Gentechnikgesetzes im Jahr 2004 habe am Institut dazu geführt, dass mit einigen Nutzpflanzen gar nicht mehr gearbeitet werde, so Roß-Stitt. „Sollten zukünftig im Rahmen unserer Forschung Freisetzungen notwendig werden, um beispielsweise Forschungsergebnisse, die im Gewächshaus gewonnen wurden, zu überprüfen, so hat das Urteil die Hürden nochmals ordentlich nach oben verlagert und schränkt damit die Forschungsfreiheit weiter ein.“
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