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Brandenburg: Sarrazin bringt Senat in Erklärungsnot Ex-Senator: Ich habe rechtswidrige Vergabepraxis der Wohnungsbaugesellschaft Howoge gedeckt

Berlin - Der frühere Berliner Finanzsenator und Ex-Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin (SPD) hat nach eigenen Angaben von der Anfang dieses Jahres bekannt gewordenen rechtswidrigen Vergabepraxis der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge schon im Jahr 2006 gewusst. Damit bringt Sarrazin, gegen den ein Parteiausschlussverfahren wegen seiner umstrittenen Äußerungen zur Zuwanderung läuft, den rot-roten Senat in Schwierigkeiten.

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Berlin - Der frühere Berliner Finanzsenator und Ex-Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin (SPD) hat nach eigenen Angaben von der Anfang dieses Jahres bekannt gewordenen rechtswidrigen Vergabepraxis der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge schon im Jahr 2006 gewusst. Damit bringt Sarrazin, gegen den ein Parteiausschlussverfahren wegen seiner umstrittenen Äußerungen zur Zuwanderung läuft, den rot-roten Senat in Schwierigkeiten. Die Landesregierung hat stets bestritten, von der Howoge-Vergabepraxis gewusst zu haben.

Sarrazin hat in einem von der Fachzeitschrift „Das Grundeigentum“ veröffentlichten Brief an den früheren Howoge-Geschäftsführer Hans-Jürgen Adam geschrieben, er habe von der Direktvergabe von Aufträgen ohne Beachtung der Schwellenwerte Kenntnis gehabt und diese „aus wirtschaftlichen Gründen“ zum Wohle der Gesellschaft und des Landes Berlin „von Anfang an und uneingeschränkt gebilligt“. Der Howoge-Skandal hatte im Frühjahr zur Entlassung der beiden Howoge-Geschäftsführer Adam und Bernd Kirschner und zum Austritt des beruflich mit der Howoge verbundenen Abgeordneten Ralf Hillenberg aus der SPD-Fraktion geführt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), sagte am Mittwoch zur Erklärung Sarrazins, es sei ein „sehr merkwürdiger und nicht akzeptabler Vorgang“, wenn Sarrazin 2006 von der rechtswidrigen Vergabepraxis gewusst habe und nicht dagegen eingeschritten sei.

Sarrazin bezieht sich in seinem Schreiben auf ein Treffen mit ihm selbst, den Howoge-Geschäftsführern und der Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge- Reyer (SPD). „Es hat bei diesem Gesellschaftergespräch keinerlei Diskussionen um Ausschreibungen gegeben“, sagte dagegen Behördensprecher Mathias Gille. Dies belege ein Ergebnisprotokoll der Sitzung, wie Gille und der Sprecher der Finanzverwaltung, Daniel Abbou, sagten.

Auch die schriftliche Erklärung des Ex-Finanzsenators an den Ex-Howoge- Geschäftsführer, die Vergabepraxis sei in einem Howoge-Schreiben vom 2. Juni 2006 dargelegt worden, wird von beiden Behörden vehement abgestritten. „Diesem Schreiben ist keinesfalls zu entnehmen, dass die Vergabepraxis nicht korrekt ist“, sagte Gille

Der Fraktions- und Parteichef der Berliner FDP, Christoph Meyer, forderte Junge-Reyer auf, das Parlament über das Gesellschaftertreffen im Juni 2006 zu informieren. Außerdem stehe der Verdacht im Raum, der Senat habe durch die Kündigung der beiden Howoge-Geschäftsführer eine Mitverantwortung verschleiern wollen. Grünen-Finanzpolitiker Jochen Esser sprach von „Filzokratie“ bei den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und verlangte vom Senat Aufklärung im Parlament über die Vorgänge. Der parlamentarische Geschäftsführer der Berliner CDU-Abgeordnetenhausfraktion, Uwe Goetze, erwartet, dass die entsprechenden Sitzungsprotokolle dem Parlament vorgelegt werden und der Senat das Parlament „rückhaltlos“ aufklärt.

Sarrazin war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Bei der Vergabe von Aufträgen hatte die Howoge mehrfach gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstoßen. Das wurde in einem Bericht des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Deloitte im März bekannt. In einigen Fällen hatte die Howoge Aufträge rechtswidrig direkt ohne Ausschreibung vergeben. Dabei wurden in mindestens vier Fällen Aufträge „gestückelt“, damit diese nicht ausgeschrieben werden mussten. An der Konkurrenz vorbei sollen außerdem Aufträge „freihändig“ vergeben worden sein. In einem Fall ging es um die energetische Sanierung eines Plattenbaus in Lichtenberg, der werbeträchtig als „Deutschlands größtes Niedrigenergiehaus“ vermarktet wurde. Zu den verantwortlichen Planern dieses Projektes zählte das Ingenieurbüro des SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg. Seine Firma IPBB hatte ebenfalls mehrere Aufträge der Howoge ohne Ausschreibung erhalten. Hillenberg soll für Planungen drei Millionen Euro verbucht haben. Außerdem sollen Leistungen für „Baunebenkosten“ in Höhe von 4,2 Millionen Euro in den Büchern genannt worden sein. Hillenberg verlor sein Amt im Bauausschuss, dann den Vorsitz des Petitionsausschusses und trat auf Drängen der SPD aus der Fraktion aus. sib

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