Brandenburg: Satt und sicher
Für Hirsch, Reh und Wildschwein sind die Bedingungen in Brandenburg optimal – zum Leidwesen vieler Bauern und Waldbesitzer
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Potsdam - In Brandenburg lässt es sich leben wie Gott in Frankreich. Das trifft offenbar zumindest auf viele heimische Wildtierarten zu. Vor allem das sogenannte Schalenwild, zum Beispiel Rot- und Dammhirsche, sowie Rehe und Wildschweine, hat sich Experten zufolge ausgesprochen prächtig entwickelt – mit erheblichen Folgen für die Land- und Forstwirtschaft, denn der Hunger der Tiere nach frischen Trieben und Feldfrüchten ist groß. Belastbare Zahlen zu den Populationen liegen zwar nicht vor, doch die Zahl der erlegten Tiere spricht Bände, zumal es weniger Jäger gibt als früher: Dem Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde zufolge wurden im Jagdjahr 2012/2013 insgesamt 170 784 Stück Schalenwild in Brandenburg geschossen. Das sind rund 13 Prozent mehr als im vorhergehenden Jahr und knapp 20 Prozent mehr als das Mittel der vergangenen 20 Jahre. „Die Zahlen legen nahe, dass es so viel Wild gibt wie seit Langem nicht mehr“, meint Kornelia Dobiá, Leiterin der Forschungsstelle für Wildökologie und Jagdwirtschaft im Kompetenzzentrum.
Bei den Rot- und Dammhirschen sowie bei den Rehen erlegten Brandenburgs Jäger zuletzt sogar so viele Tiere wie nie zuvor. Insgesamt schossen sie laut Jagdstatistik 9964 Rothirsche und 14 357 Dammhirsche. Die Zahl der geschossenen Rehe dagegen überstieg mit 73 875 Exemplaren ebenfalls deutlich die bisherige Höchstmarke von 72 412 Tieren aus dem Jahr 2009/2010. Zumindest gegenüber dem vergangenen Jahr stieg auch die Zahl der geschossenen Wildschweine um 18 Prozent auf 71 837 Stück. Der Rekord liegt bei 80 000 Tieren aus dem Jahr 2008/2009. Rückläufig waren die Abschusszahlen nur beim Mufflon. Mit insgesamt 751 Tieren wurden 144 Wildschafe weniger erlegt als voriges Jahr.
Aus Sicht vieler Bauern und Waldbesitzer ist die Zunahme vieler Wildtiere kaum ein Grund zur Freude. „Die Schäden bewegen sich auf hohem Niveau, sowohl in der Landwirtschaft als auch im Wald“, sagt Dobiá. Zahlen kann sie aber nicht nennen. Der Waldbesitzerverband des Landes spricht von 30 bis 50 Euro pro Hektar, die durch Wildverbiss und entsprechende Schutzmaßnahmen dagegen jährlich anfallen. „In den meisten Waldgebieten in Brandenburg verhindert der Verbiss die natürliche Verjüngung des Waldes. Die Reproduktion ist nur noch mit Zäunen möglich“, sagt Verbandschef Martin Hasselbach. Beim Landesbauernverband selbst beobachtet man keine dramatische Zunahme der Wildschäden. Wenn, dann sei es das Wildschwein, das in den punktuell gehäuft auftretenden Maisfeldern räubert, sagt Verbandssprecher Holger Brantsch.
Zumindest die Bauern müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie der Vermehrung von Hirsch, Reh und Schwein den Boden bereiten. Neben den zuletzt milden Wintern ohne größere Verluste sei die „Landwirtschaft mittlerweile so ertragreich, dass die Tiere optimal in den Winter hereingehen“, berichtet Wildökologin Dobiá. Sprich: Auf den Feldern fressen sich die Tiere für den Winter dick und fett. Zudem sind sie im stehenden Weizen oder Mais vor den Jägern weitgehend sicher. „Die Landwirtschaft muss sich besser auf die Tiere einstellen. Wer seinen Mais bis unmittelbar an den Wald anbaut, wird immer wieder Schäden zu beklagen haben“, so Dobiá.
Unter anderem empfiehlt die Expertin den Bauern auf den Feldern Schießschneisen einzurichten. Letztlich, so sind sich alle einig, muss einfach mehr gejagt werden. „Die einfachste Lösung ist die effektive und konsequente Jagd“, findet etwa Hasselbach vom Waldbesitzerverband.
Brandenburgs Jäger aber machen schon, was sie können, ist Georg Baumann, Geschäftsführer der Landesjagdverbandes, überzeugt. Für mehr fehlt es an Jägern. Seit Jahren plagen den Verband Nachwuchssorgen. Allein im Landkreis Ostprignitz-Ruppin sank die Zahl der Jäger innerhalb von sieben Jahren um rund 200 Jäger auf derzeit gut 1100. Der Altersdurchschnitt im Land liegt laut Baumann bei 58 Jahren. „Die Jagd hat ein Imageproblem“, räumt er ein. Viele junge Leute hätten einfach falsche Vorstellung davon wie Jäger sind. „Das sind nicht nur ältere konservative Herren“, versichert der Chef des Jägerverbands.
Mit einem Beauftragten für Jungjäger, einer peppigeren Internetseite und einem Facebook-Auftritt will Baumann dem Jägertum einen moderneren Ruf verpassen. In diesem Jahr seien bereits so viele Jägerprüfungen in Brandenburg ablegt worden wie seit 2009 nicht mehr, so der Verbandschef. Möglicherweise wird es für Hirsch, Reh und Schwein künftig also etwas ungemütlicher in Brandenburg – c’est la vie.
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