zum Hauptinhalt

Brandenburg: Schlapphüte unter Druck

Brandenburgs Verfassungsschutz hat immer mehr zu tun, dennoch wird weiter Personal abgebaut. Innenminister Schröter ist skeptisch. Rot-Rot lehnt mehr Stellen ab

Stand:

Potsdam - Brandenburgs Verfassungsschutz leidet zunehmend unter dem anhaltenden Personalabbau. Aus der Abteilung des Innenministeriums ist von wachsendem Missmut die Rede, weil die Verfassungsschützer immer mehr zu tun bekämen, aber immer mehr Personal abgebaut oder die vorhandenen Mitarbeiter zunehmend für nicht genuin geheimdienstliche Aufgaben gebraucht werden.

Tatsächlich wird die Verfassungsschutzabteilung Opfer ihres eigenen gutes Rufs. Nachdem im November 2011 der Skandal um das rechtsterroristische NSU-Trio publik geworden war, wurde Brandenburg stets als Vorbild für den Umbau der Verfassungsschutzbehörden in Deutschland hoch gelobt. Grund ist vor allem die Offensive des Brandenburger Verfassungsschutzes bei der Öffentlichkeitsarbeit und in Sachen Transparenz. Nun aber wird in der Abteilung beklagt, dass gerade wegen der drastisch ausgeweiteten Öffentlichkeitsarbeit, die politisch gewollt ist und maßgeblich zum Erfolg im Kampf gegen Rechtsextremismus beiträgt, andere Aufgaben kaum noch zu erledigen sind. Die Belastung wachse, es fehle aber Personal für die eigentlichen Aufgaben, nämlich das nachrichtendienstliche Beschaffen von Informationen, hieß es.

Und genau dabei hat der Verfassungsschutz immer mehr zu tun: Die Zahl der gewaltbereiten Neonazis in Brandenburg steigt, ebenso die Zahl von rechtsextremen Gruppen. Die Bedrohungslage durch Rechtsextremismus im Land ist anhaltend hoch. Von einer wachsenden Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung ist die Rede. „Jedoch verändert sich die Gefahrenlage im Bereich des islamistischen Extremismus. Auf ihn konzentrieren sich auch in Brandenburg zunehmend technische wie personelle Maßnahmen“, heißt es in der Mitteilung des Innenministeriums von Mittwoch zum neuen Verfassungsschutzbericht für 2014. Die Zahl der Islamisten in Brandenburgs wuchs zwar um 10 auf 40, ist aber vergleichsweise gering, wie auch Schröter einräumte.

Die Islamisten leben zumeist im Speckgürtel und haben ihre Anlaufpunkte in Berlin. Drei Islamisten aus Brandenburg reisten 2014 in die Bürgerkriegsgebiete in Syrien und Irak aus. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sagte, von den Islamisten und ihren Netzwerken gehe eine abstrakte, außerordentlich hohe Gefahr aus. „Bereits Einzelpersonen binden zahlreiche technische wie personelle Ressourcen unserer Sicherheitsbehörden. Der damit verbundene finanzielle und personelle Aufwand ist enorm“, erklärte der Innenminister. Auch bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen wächst der Aufwand, deren Zahl verdoppelte sich 2014 im Vergleich zum Vorjahr fast auf 6144. Die meisten Anfragen gab es nach dem Luftsicherheitsgesetz, es ging unter anderem um die Bauarbeiter auf der BER-Flughafenbaustelle in Schönefeld.

Obwohl die Belastung wächst, gibt es immer weniger Geheimdienstler im Landesauftrag. Vor einigen Jahren hatte die Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium noch mehr als 120 Mitarbeiter, aktuell sind es noch 95. Die rot-rote Regierungskoalition plant, den Personalbestand bis 2019 weiter auf 80 Stellen zu senken, bundesweit ist ein solch starker Personalabbau beim Verfassungsschutz einmalig. Selbst Schröter hat seine Probleme damit. Als er am Mittwoch den Verfassungsschutzbericht vorstellte, sagte er, der Verfassungsschutz und der Staatsschutz seien tragende Säulen und Grundvoraussetzung für eine wehrhafte Demokratie. „Wir werden selbstverständlich neue Antworten geben müssen auf neue Herausforderungen, auch was die technische und personelle Ausstattung betrifft.“ Nötig sei eine Neubewertung der Situation. „Dazu werden ganz sicher Gespräche geführt und auch Personalstärken hinterfragt werden müssen“, sagte Schröter.

Doch als im Innenausschuss des Landtags am Donnerstag über den Haushalt beraten wurde, war nichts davon zu hören. Die CDU-Fraktion hatte beantragt, den Verfassungsschutz um 30 Stellen aufzustocken. Das lehnte der Ausschuss mit rot-roter Mehrheit ab. CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher sagte, es sei ein falsches Signal, angesichts der anhaltenden Bedrohung von rechts und der zunehmenden Bedrohung durch islamistischen Terrorismus.

Verfassungsschutzchef Carlo Weber jedenfalls würde, wie er sagte, mehr Stellen nicht zurückweisen, er würde sich freuen. Den PNN sagte er aber auch: „Alle Mitarbeiter akzeptieren das Primat der Politik. Sie leisten mit einem Hochmaß an Disziplin ihre Arbeit, um den Auftrag des Verfassungsschutzes zu erfüllen.“

nbsp;Alexander Fröhlich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })