POSITION: Schleichender Wandel von Flora und Fauna
Der Klimawandel macht die Mark zum Transitland für wandernde Arten Von Katrin Vohland
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Knut hatte Glück – der Berliner Zoo scheute keine Mühe, den kleinen Eisbären mit der Flasche aufzuziehen. Derweil kämpfen Knuts Artgenossen in der Arktis ums Überleben. Schon jetzt schwindet dort von Jahr zu Jahr das Sommereis und damit der Lebensraum von Eisbären und Seerobben. Die Naturschutzorganisation WWF befürchtet, dass beide Arten in den nächsten 20 Jahren aussterben.
Dass diese Befürchtung nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt der letzte Sachstandsbericht des UN-Klimarats, der deutlich macht welche dramatischen Auswirkungen der vom Menschen verursachte Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten haben wird. Danach ist nicht nur mit einer starken Zunahme von Extremwetterereignissen wie Überflutungen oder Hurrikans und dem Ansteigen des Meeresspiegels zu rechnen, sondern auch mit einem dramatischen Artensterben. Laut UN ist bereits bei einem Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur um zwei bis drei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter der Kollaps zahlreicher Biotope und das Aussterben von 20 bis 30 Prozent der bekannten Tier- und Pflanzenarten zu befürchten. Angesichts eines prognostizierten Temperaturanstiegs zwischen 1,1 und 6,4 Grad zum Ende des Jahrhunderts buchstäblich lebensbedrohliche Aussichten, denen man nicht nur am heutigen UN-Tag für die Erhaltung der biologischen Vielfalt Beachtung schenken sollte.
Dem UN-Sachstandsbericht zufolge droht Afrika infolge von Dürren und Extremereignissen die Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen. Die Gebiete, in denen Malaria vorkommt, vergrößern sich, während gleichzeitig viele Pflanzen, die auch als Medizinalpflanzen dienen, aussterben.
In Gefahr ist auch der artenreiche Mangrovengürtel, der vielerorts auch als Küstenschutz dient. Südamerika könnte einen großen Teil seiner tropischen Urwälder mit seinen unzähligen Pflanzen und Tieren verlieren. In Australien ist das zum Weltnaturerbe zählende Great Barrier Reef, das größte Korallenriff der Welt, in akuter Gefahr.
Der Klimawandel – auf den der Hitzesommer 2003 und der vergangene milde Winter einen Vorgeschmack gaben – verändert auch die Ökosysteme Brandenburgs – so gefährdet zum Beispiel die zunehmende Trockenheit die verbliebenen artenreichen Moore. Ein Artenkollaps in oben genanntem Ausmaß ist hierzulande zumindest in den nächsten Jahrzehnten zwar nicht zu erwarten, dafür ein schleichender Wandel von Flora und Fauna.
Die Verschiebung der Klimazonen löst eine Wanderbewegung von Tieren und Pflanzen Richtung Norden aus. Zunehmend trocken-heiße Sommer und warm-feuchte Winter führen jetzt schon zur Einwanderung wärmeliebender Arten nach Brandenburg, die ursprünglich in Süddeutschland oder Südeuropa beheimatet sind: Von Insekten wie der Feuerlibelle, der Gottesanbeterin und der Auwald-Zecke oder Vögeln wie dem Seidenreiher und dem Bienenfresser. Kälteliebende Arten werden künftig hingegen vermehrt nach Nordeuropa abwandern.
Brandenburg wird zum Ziel- und Transitland wandernder Arten. Damit die Mark diese Funktion erfüllen kann und Tieren wie Pflanzen auf dem Weg nach Norden das Überleben sichert, müssen sie bei uns jedoch Bedingungen vorfinden, die ihre temporäre Ansiedlung und Verbreitung gewährleisten. Eine zentrale Rolle dabei spielen die Großschutzgebiete, die Naturschutzgebiete sowie viele weitere ausgewiesene Flächen, von denen die meisten über das europäische „Natura 2000 Netzwerk“ verknüpft sind. Dieses Netzwerk gilt es zu verstärken und als „Wanderweg nach Norden“ auszubauen. Zurzeit sind viele dieser Schutzgebiete jedoch sehr klein, durch Überdüngung und andere intensive Nutzungen beeinträchtigt und häufig auch so isoliert, dass sie ihre Funktion als Erholungsorte für Tiere und Pflanzen nicht ausreichend erfüllen. Ausgeräumte und durch Monokulturen geprägte Landschaften um diese Gebiete herum bilden für viele Arten zudem eine unpassierbare Barriere.
Deutschland hat im Anschluss an den Umweltgipfel in Rio 1992 die Biodiversitätskonvention unterzeichnet, deren Ziel der Erhalt, die nachhaltige Nutzung und der gerechte Zugang zu natürlichen und genetischen Ressourcen ist.
Dieser internationalen Verantwortung müssen wir auch in Brandenburg gerecht werden. Dazu ist mindestens zweierlei gefragt: Eine Politik, die konsequenten Naturschutz und landwirtschaftliche Nutzung zusammenführt, Brandenburgs natürliche Grundlagen bestmöglich erhält und für eine naturnahe Bewirtschaftung unserer Wälder sorgt. Hier hat sich die Landesregierung allerdings längst von früheren Zielen verabschiedet, wie das Aufweichen des Landesnaturschutzgesetzes und der Standards für den Nationalpark Unteres Odertal, die Zustimmung zur Abbaggerung des Schutzgebietes Lacomaer Teiche und eine zunehmende Verunglimpfung des Umwelt- und Naturschutzes als „Wirtschaftsbremse“ zeigen.
Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass Brandenburg als Teilregion des hochindustrialisierten Deutschlands und größter CO2-Emittent pro Kopf seiner globalen Verantwortung zur drastischen Verminderung des Klimagases CO2 gerecht wird. Dies wird – auch aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen – nicht ohne eine alternative Energiestrategie möglich sein, die den Ausstieg aus der klimaschädigenden Braunkohleverstromung allerspätestens mit der Auskohlung der derzeit in Brandenburg genehmigten Tagebaue beinhaltet.
Die Autorin ist Landesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
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