Brandenburg: Schönbohm trennt sich von Wegesin Verfassungsschutz-Chef wird in Rente geschickt /Hintergrund sind wohl Differenzen mit Staatssekretär
Von Frank Jansen Thorsten Metzner und Peter Tiede Potsdam – Der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin, wird überraschend zum Jahresende von seinem Posten abgelöst und in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Wie die PNN aus Regierungskreisen erfuhr, ist ein schon länger schwelender Konflikt zwischen dem Verfassungsschutz und dem Staatssekretär im Innenministerium Eike Lancelle einer der Gründe für den vorzeitigen Abschied Wegesins.
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Von Frank Jansen Thorsten Metzner und Peter Tiede Potsdam – Der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin, wird überraschend zum Jahresende von seinem Posten abgelöst und in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Wie die PNN aus Regierungskreisen erfuhr, ist ein schon länger schwelender Konflikt zwischen dem Verfassungsschutz und dem Staatssekretär im Innenministerium Eike Lancelle einer der Gründe für den vorzeitigen Abschied Wegesins. Die Nachfolge wird die Polizeipräsidentin von Frankfurt (Oder), Wilfriede Schreiber, antreten. Wer ihren Posten in der Oderstadt übernimmt, ist noch nicht bekannt. Vermutlich wird die Stelle ausgeschrieben. Das Kabinett stimmte dem Wechsel gestern zu. Schönbohm wollte sich gestern zu den Gründen für die Ablösung gestern nicht äußern. Er deutete jedoch Differenzen an: „Wenn Herr Wegesin keine Fehler gemacht hätte, würde ich diese Pressekonferenz hier vielleicht nicht geben“, sagte er vor Journalisten. Seinem Staatssekretär Lancelle sprach Schönbohm „absolutes Vertrauen“ aus. Der Landtag wurde durch die Personalie überrascht. So sagte Unions-Fraktionschef Thomas Lunacek, die CDU-Fraktion habe keinen Bedarf für einen Wechsel an der Spitze des Verfassungsschutzes gesehen. Heiner Wegesin leitet seit fast genau fünf Jahren die zum Innenministerium gehörende Abteilung Verfassungsschutz. Zuvor war der Christdemokrat Sicherheits- und Geheimschutzbeauftragter im Bundeskanzleramt. Der 51 Jahre alte Jurist hat den Brandenburger Verfassungsschutz mit modernster Technik aufgerüstet und organisatorisch umstrukturiert. Mit besonderem Engagement widmete sich Wegesin der Beobachtung des Rechtsextremismus. Zu seinen Erfolgen zählt die öffentlichkeitswirksame Aufklärung über den Extremismus im Land. Der Verfassungsschutz informiert seit September 2001 im Internet auf einer eigenen Homepage detailliert über das Treiben von Rechts- und Linksextremisten, Islamisten und anderen Fanatikern. Allerdings hieß es aus Sicherheitskreisen, dass Lancelle und Schönbohm zuletzt mit der Arbeit von Wegesin unzufrieden gewesen seien: So habe dieser sich bei der Einführung eines neuen Computersystems im Verfassungsschutz verhoben. Dass das System bislang nicht wie erhofft funktioniert, habe für Spannungen zwischen Wegesin und Lancelle gesorgt. Darüber hinaus soll es seit längerem „menschliche Probleme“ und „mentale Spannungen“ zwischen Staatssekretär Lancelle und Wegesin gegeben haben, hieß es gestern aus dem Innenministerium. Wegesin habe sich zunehmend daran gestört, dass Lancelle direkt in die Arbeit der Behörde eingegriffen habe. Wegesin habe im Gegenzug Termine für bestellte Zuarbeiten nicht eingehalten. Auch wenn dies meist fachlich und sachlich begründbar gewesen sei, habe dies zu weiteren Spannungen geführt. „Wegesin hat wohl spekuliert, dass Lancelle nach der Wahl nicht mehr im Amt ist und sich Freiheiten erlaubt, die sich andere Behördenchefs nicht gewagt hätten“, so ein Insider. Besonders gestört habe den Verfassungsschutzchef, dass Lancelle bis in die untersten Ebenen der Verwaltung eingegriffen habe. „Wenn es einen Anfangsverdacht auf eine Straftat oder das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole gibt, dann legt die Maßnahmen ein Mitarbeiter auf unterster Ebene fest – in Brandenburg macht das ab und an der Staatssekretär“, hieß es. Ein anderer Beamter: „Wenn etwa in Tschetschenien ein Anschlag geschah, dann musste der Verfassungsschutz – und sei es Sonntagnacht – für den Staatssekretär eine Einschätzung schreiben, welche Auswirkungen oder Bedrohungspotenziale das für Brandenburg wohl haben könnte.“ Kein Grund für die Ablösung waren dem Vernehmen nach die Schwierigkeiten, die der Verfassungsschutz in den vergangenen Jahren im Umgang mit rechtsextremen V-Leuten hatte. So flog der V-Mann Toni S. bei einer Razzia der Berliner Polizei auf und wurde später wegen des Handels mit Hass-CDs verurteilt. Ein weiterer V-Mann des Verfassungsschutzes soll einem Neonazi eine bevorstehende Razzia der Potsdamer Polizei verraten haben. Wegesin selbst war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
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