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Plan B. Manche ICEs werden, wie auf diesem Bild, durch langsamere ICs ersetzt, andere fallen komplett aus. Das gilt speziell für die Strecke nach München.

© Gottschalk/ddp

Von Rainer W. During, Stefan Jacobs und Claus-Dieter Steyer: Schöne Bescherung

In Schönefeld strandeten Fluggäste, und Bahnkunden mussten sich in überfüllte Züge quetschen

Stand:

Schönefeld - Hunderte Passagiere des britischen Billigfliegers Easyjet sind in am Flughafen Schönefeld gestrandet. Wegen des Wintereinbruchs musste die Airline seit dem vergangenen Freitag allein im Berlin-Verkehr rund 70 Flüge streichen. Einer italienischen Schulklasse riss am frühen Mittwochmorgen endgültig der Geduldsfaden. Sie marschierte nach zweitägigem Zwangsaufenthalt zum nahen Bahnhof, um per Zug vielleicht doch noch vor Weihnachten ihre Heimat zu erreichen. Andere frustrierte Easyjet-Kunden mieteten sich gemeinsam ein Auto, um an einem anderen Flughafen ihr Glück zu versuchen. „Ich warte seit drei Tagen auf einen Flug nach Rom“, schimpfte Emilio Esbado. „Jetzt soll es am Heiligen Abend vielleicht noch eine Möglichkeit geben.“

„Die Engpässe lagen nicht in Berlin, sondern am anderen Ende“, sagte Firmensprecher Oliver Aust.Er wies den Vorwurf zurück, man habe sich nicht ausreichend um die gestrandeten Reisenden gekümmert. Man habe den Fluggästen angeboten, gegen Kostenerstattung in Hotels zu ziehen. Und: „Wir tun alles, was wir können, um die Passagiere noch vor Weihnachten ans Ziel zu bringen“. Alle Crews, die ihr erlaubtes Flugstundenkontingent noch nicht abgeflogen haben, seien im Einsatz. Den Vorwurf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Easyjet verfüge nicht über genügend Piloten, wies Aust als „völligen Unsinn“ zurück.

Am Mittwoch beruhigte sich zwar die Lage, aber dennoch lagen vor allem zahlreiche italienische Touristen mitten im Easyjet-Abfertigungsterminal auf dem Fußboden. Auch Reisende nach Mallorca mussten improvisieren. „Mein Telefonat mit der Kunden-Hotline hat mich mindestens 20 Euro gekostet“, schimpfte Dorit Denner. Doch noch mehr als diese Ausgabe ärgerte sie die Auskunft des Call-Centers. „Unser Flug ist gestrichen. Wir könnten jetzt am 30.12. nach Palma fliegen. Unser Hotel auf Mallorca ist aber gebucht, so dass wir jetzt irgendwie nach Münster kommen müssen.“ Dort gebe es noch Platz bei einer anderen Fluglinie.

Besonders sauer waren viele Passagiere über den verwaisten Serviceschalter von Easyjet. Ein handgeschriebener Zettel wies lediglich auf die kostenpflichtige Hotline hin. Das Personal an den Abfertigungsschaltern schüttelte auf Nachfragen den Kopf und verwies ebenfalls aufs Call-Center. Am Vormittag kam noch eine neue Information auf den Zettel. „Umbuchungen und Hotelkosten können von Easyjet erstattet werden“, hieß es da ohne ein Wort der Entschuldigung. Auch Konkurrent Ryanair sagte einen Flug nach Bergamo ab. In Tegel fielen acht Lufthansa-Flüge, zwei der Air Berlin sowie eine Verbindung der KLM aus.

Ein wenig besser, aber keineswegs gut sah es am Hauptbahnhof aus, wo die ICEs nach München bis Sonntag nur alle zwei Stunden statt im Stundentakt fahren. „Eine Schneeflocke hochkant“ flucht eine Frau, die gerade per Lautsprecher auf den Direktzug in der Folgestunde vertröstet wurde. Dass es zwischendurch noch zwei Verbindungen mit je einmal Umsteigen gäbe, hat der Lautsprecher verschwiegen.

Die Leute auf dem Bahnsteig vollführen Anti-Frost- Tänze oder nutzen die Zeit, um im gut gefüllten, aber nicht chaotischen Reisezentrum ihre wertlos gewordenen Reservierungen zu reklamieren: „Die neun Euro schenke ich denen nicht!“ Immerhin sind auf den Bahnsteigen einige Serviceleute unterwegs, um die frustrierten Reisenden eine Stunde später auf die noch freien Türen des nächsten Zuges zu verteilen. Der ist – anders als von einem Bahnsprecher zuvor behauptet – keineswegs als Doppel-ICE unterwegs. Aber gerade lang genug, dass nach einigem Geschiebe doch noch alle mitkommen, wenn auch großenteils im Stehen.

Dass es ausgerechnet die Verbindung nach München getroffen hat, liegt laut Bahn an einigen frostbedingten Ausfällen, die wegen der Rad-Probleme der neuen ICE-Baureihe nicht ersetzt werden können. Doch anders als in Schönefeld sieht es am Hauptbahnhof nicht so aus, als müssten hier manche unfreiwillig den Heiligen Abend verbringen.

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