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Rechte Schrift im Gefängnis verfasst: Schöneburg: Pannen im Fall Mahler

Er gilt als unbelehrbar, nutzt auch Gerichtsverfahren als Bühne für seine rechtsextremistische Haltung. Dennoch hat Holocaust-Leugner Mahler in der Haft eine Schrift veröffentlichen können. Die Empörung ist groß - auch in der Justiz.

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Potsdam - Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) hat mehrere Pannen im Umgang mit dem in Deutschlands bekanntesten Rechtsextremisten und Holocaust-Leugner, den früheren RAF-Aktivisten Horst Mahler, eingeräumt. Bevor der 77-Jährige im Frühjahr seine antisemitische Hetzschrift aus dem Gefängnis in Brandenburg/Havel heraus im Internet veröffentliche konnte, gab es dort mehrere Verfehlungen von Mitarbeitern. Auch das Ministerium müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, nach ersten Hinweisen auf das Manuskript „Das Ende der Wanderschaft“ nicht stärker eingegriffen zu haben. „Es ist kein rühmliches Kapitel des brandenburgischen Strafvollzuges“, sagte Schöneburg am Donnerstag im Rechtsausschuss des Landtags.

Kritik äußerte Richter Andreas Dielitz vom Landgericht Potsdam, der Mahler im März 2009 wegen Volksverhetzung zu fünf Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt hatte. Hätten die Verantwortlichen Urteil und Unterlagen gelesen, hätte Mahler nie in den offenen Vollzug kommen und ihm ein Computer erlaubt werden dürfen. Mahler sei unbelehrbar und habe alle seine Taten mithilfe eines Computers begangen. „Das ist so, als ob man einem Einbrecher Einbruchswerkzeug zur Verfügung stellen würde“, sagte der Jurist.

Laut Schöneburg gab es mehrere Fehlentscheidungen und Versäumnisse. Der 77-jährige Mahler kam im Sommer 2012 in den offenen Vollzug und hatte die Nutzung eines Computers beantragt, die Anstaltsleitung gewährte ihm das. „Die Anstalt hat versucht, eine Art Agreement mit ihm hinzukriegen. Es war ein untauglicher Versuch“, sagte Schöneburg. Mahlers Behauptung, er sei von einem sozialwissenschaftlichen Institut für ein Forschungsprojekt über die Rote-Armee-Fraktion angefragt worden, hat die Anstaltsleitung nicht geprüft. „Eine Missbrauchsgefahr ist als gering eingeschätzt worden“, so Schöneburg. Ende Oktober stellte ein Systemadministrator fest, dass Mahlers Hochleistungsrechner schwer zu kontrollieren ist und sich darauf größere Datenmengen leicht verstecken lassen. Ohne vorgeschriebene Vorkontrolle ist der Computer Mahler ausgehändigt worden.

Dabei warnten selbst einzelne JVA-Mitarbeiter, dass Mahler neue Hetzschriften verfassen könnte. Die Anstaltsleitung stufte das Risiko als „abstrakt“ ein, eine reale Gefahr sah sie nicht. Laut Schöneburg ein weiterer schwerer Fehler. Auch der Minister erfuhr Ende November 2012 abseits des offiziellen Dienstwegs davon und ordnete an, die PC-Genehmigung zunächst aufzuheben und den Privat- gegen einen JVA-Rechner nur mit Schreibprogrammen auszutauschen. Doch es passierte bis Anfang Februar nichts. Schöneburg räumte ein, es habe vielleicht der nötige Nachdruck aus dem Ministerium gefehlt. Nach dem Fund der Hetzschrift Mitte Dezember 2012 akzeptierte das Ministerium die Einschätzung der Anstalts, dass strafrechtlich nichts relevant sei. Immerhin wurde der PC im Februar ausgetauscht. Da war es zu spät. Die JVA-Mitarbeiter fanden im Frühjahr USB-Sticks, die nicht genehmigt waren. Damit ließ Mahler seine Hetzschrift aus dem Knast schmuggeln und im Internet veröffentlichen. Schöneburg erfuhr davon erst Mitte Mai vom Verfassungsgeschutz.

Die Cottbuser Staatsanwaltschaft ermittelt seither wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen Mahler, Haftlockerungen wurden aufgehoben. Gegen JVA-Leiter Hermann Wachter läuft ein Disziplinarverfahren. Bei weiteren Bediensteten wird das geprüft. „In dem Fall ist alles schiefgelaufen, was schieflaufen konnte“, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Henryk Wichmann. Die Rechtsexpertin der Unions-Bundestagsfraktion, Andrea Voßhoff, warf Schöneburg Versagen vor. Bei einem Mann wie Mahler wäre eine engmaschige Aufsicht durch das Ministerium nötig gewesen. Alexander Fröhlich

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