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Brandenburgs neuer Verfassungsschutz-Chef: Schreibers Kronprinz in der NSU-Affäre unter Druck
Der Bundestags-Untersuchungsausschuss vernimmt Sachsens Verfassungsschutzchef Meyer-Plath wegen eines Brandenburger V-Manns. Der soll Kontakt zum rechtsextremen Terrortrio NSU gehabt haben.
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Potsdam - Für Winfriede Schreiber ist es das letzte Mal, dass sie am heutigen Mittwoch als Leiterin der Verfassungsschutzabteilung im brandenburgischen Innenministerium den jährlichen Bericht des Geheimdienstes vorstellt. Sie geht Ende Mai in Pension. Nun gerät ein als Nachfolger gehandelter Mitarbeiter der Behörde, der kommissarische Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen, Gordian Meyer-Plath, wegen der Verwicklungen in der Affäre um das Neonazi-Mörder-Trio „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) unter Druck. Am 15. April wird er als Zeuge im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages gehört. Der Grund: Er war in den 1990er Jahre einer von zwei V-Mann-Führern von Carsten S., der für den brandenburgischen Verfassungsschutz unter dem Decknamen „Piatto“ aus der rechtsextremistischen Szene berichtete und im NSU-Umfeld aktiv war,
Ein V-Mann-Führer war Anfang März im Untersuchungsausschuss vernommen worden, konnte sich aber an nichts erinnern. Nun soll Meyer-Plath vernommen werden. Er war damals in die Führung des V-Manns eingebunden worden, nachdem es in der Behörde Irritationen über das Engagement von Piatto gab. Der damalige, von 1996 bis 1998 tätige Chef des Verfassungsschutzes, der heutige Bundesanwalt Hans-Jürgen Förster, hatte Bedenken und informierte den damaligen Innenminister Alwin Ziel (SPD). Durch den NSU-Untersuchungsausschuss ist bekannt, dass Ziel Rat bei einer Vertrauensperson suchte. Piatto blieb V-Mann, Meyer-Plath wurde zweiter V-Mann-Führer. Wer die Vertrauensperson war, will der SPD-Landtagsabgeordnete nicht sagen – auch weil er dazu noch von einem anderen Gremium befragt werden könnte, wie er erklärte.
Piatto war als V-Mann und privat im Unterstützerkreis des NSU-Terrortrios von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe aktiv, als dieses 1998 im Raum Chemnitz untertauchte. In den Jahren darauf begingen die drei zehn Morde an Migranten und einer Polizistin. Piatto war eine der wenigen Quellen bundesweit, die Hinweise auf das Trio und dessen Bestrebungen gab, abzutauchen und sich eine Waffe zu besorgen. Vermutet wird, Piatto könnte ein doppeltes Spiel mit den Behörden gespielt haben. Er war in ein bundesweites Verfahren gegen das Neonazi- Netzwerk „Blood and Honour“ eingebunden, berichtete aber nur sovlange über ein untergetauchtes Neonazi-Trio, bis er im NSU-Helferkreis bei einem Neonazi- Szene-Vertrieb eine Anstellung bekam.
Das wirft im Untersuchungsausschuss Fragen auf. Petra Pau, Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschus, sagte den PNN: „Im Zuge des NSU-Nazi-Desasters gehört die V-Mann-Geschichte Piatto zu den unappetitlichsten, um nicht zu sagen kriminellen.“ Pau hatte auch den Verdacht geäußert, dass der Verfassungsschutz die Justiz getäuscht hat, um Piatto aus der Haft freizubekommen. 1995 wurde er wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer zu acht Jahren Haft verurteilt. In Haft wurde er V-Mann und bekam großzügige Haftlockerungen. 1998 hielt er sich als Freigänger oft im Chemnitzer NSU-Umfeld auf, im Dezember 1999 kam er vorzeitig frei. Die Richter glaubten der Erklärung, er habe sich von der rechten Szene gelöst. Das Gegenteil war der Fall – mit Wissen des Verfassungsschutzes.
Strittig ist auch der Umgang mit Piattos Informationen zum Neonazi-Trio. Brandenburgs Verfassungsschutz will alles an die Landesämter Sachsen, Thüringen und das Bundesamt weitergegeben haben. Geschehen ist dort nichts. Pau beklagt, die Verfassungsschützer aus Sachsen hätten beschworen, dass die Brandenburger Behörde ihnen untersagt habe, Hinweise zum Verbleib und zu den Vorhaben des untergetauchten Trios an die Landeskriminalämter weiterzugeben. Tatsächlich wollte Brandenburgs Verfassungsschutz, wie die Behörde einräumt, verhindern, dass Informationen zur Person und Identität des V-Manns weitergereicht werden.
In Sachsen, wo Meyer-Plath beim Verfassungsschutz aufräumen soll, weil die Brandenburger Behörde als vorbildlich gilt, schwindet das Vertrauen in ihn. Für die Linke steht wegen der V-Mann-Verstrickung seine Glaubwürdigkeit auf dem Prüfstand. Ob Meyer-Plath in dieser Situation in Brandenburg Schreibers Nachfolger werden kann, ist unklar. Aber auch weil er – laut Sachsens Innenministeirum immer noch abgeordneter Beamter – eine geringere Besoldungstufe hat. Bewerber mit höherem Sold werden bevorzugt. Derzeit läuft für den Leiterposten das Auswahlverfahren. Schreiber, die die Abteilung seit 2005 führt, hatte 2010 das Pensionsalter erreicht, ihre Amtszeit wurde zweimal verlängert. Sie sollte in der schwierigen Phase, wegen der Pannen in der NSU-Affäre, Kontinuität bewahren.
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