Brandenburg: Schröder kämpft für Platzeck
SPD-Parteitag in Brandenburg an der Havel / Pfeifkonzert für den Kanzler
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SPD-Parteitag in Brandenburg an der Havel / Pfeifkonzert für den Kanzler Von Michael Mara Brandenburg/Havel – „Schröder muss weg!“, „Arbeit und keine Almosen“, „Wir wollen Lafontaine“ steht auf den selbst gefertigten Plakaten. Als Bundeskanzler Gerhard Schröder pünktlich um elf Uhr erscheint, schwillt das Trillerpfeifenkonzert an. Draußen, vor dem Kongresszentrum in Brandenburg (Havel), protestieren 450 Demonstranten gegen die Hartz-IV-Reformen der rot-grünen Bundesregierung. Und drinnen, auf dem SPD-Landesparteitag, versuchen knapp 150 Delegierte sich fünf Wochen vor der Landtagswahl trotz des Unmuts über Hartz IV Mut zu machen. Im Foyer bezweifeln manche, ob es richtig war, den Kanzler zu diesem Wahlparteitag einzuladen, mit dem die im Umfragetief steckende SPD die heiße Phase ihres Wahlkampfes eröffnen will. Dieser oder jener Genosse fühlt sich durch den Auftritt Schröders bestätigt: Erholt aus dem Urlaub und von einer Balkan-Reise zurückgekehrt, nutzt er seinen ersten öffentlichen Auftritt, um die Arbeitsmarktreformen und seine Politik zu rechtfertigen. Er spannt einen großen Bogen, geht aber mit keinem Wort auf die schlechte ostdeutsche Stimmung, die lautstarken Proteste vor der Tür ein. Dabei weiß auch Schröder um die Nöte der Brandenburger SPD und seines, wie er ausdrücklich betont, „Freundes Matthias“. Fünf Wochen vor der Landtagswahl ist die einst allein regierende SPD in der Wählergunst erstmals auf traurige 28 Prozent abgerutscht. Die PDS hat sie mit 29 Prozent überflügelt und die Christdemokraten sitzen der SPD mit 26 Prozent dicht auf den Fersen. Schröders scharfe Kritik an der neuen „Volksfront“ von CDU und PDS, die gegen Hartz IV mobil mache, hilft der märkischen SPD da kaum weiter. Ganz anders Platzeck: In einer sensiblen Rede warnt er Schröder in direkter Ansprache, den Ernst der Lage in Ostdeutschland zu unterschätzen: Jede einzelne Familie in Brandenburg sei von Arbeitslosigkeit, jedes Dorf von Abwanderung und Überalterung betroffen. Hartz IV solle helfen: „Aber, Gerd, so wird es eben nicht wahrgenommen,“ sagt Platzeck an Schröder gewandt. Die Menschen fragten sich, wo denn eigentlich die Arbeitsplätze seien, die durch Hartz IV besser vermittelt werden sollten. Sehr viel Einfühlungsvermögen und Zuwendung zu den Menschen seien notwendig, denn „hier in Ostdeutschland droht etwas ins Rutschen zu geraten, und zwar sehr grundsätzlich, sehr umfassend“. Wer bei den Menschen sei, spüre es. Seine Botschaft an den Kanzler: Mehr Sensibilität für die ostdeutschen Probleme. Später räumt Platzeck vor Journalisten ein: Wäre der Kanzler auf die spezifischen ostdeutschen Probleme eingegangen, hätte ich es nicht tun müssen. Mit seinen Hauptgegnern im Wahlkampf, PDS und CDU, setzt sich Platzeck nur am Rande auseinander. Es sei gewissenlos, die Menschen aufzuwiegeln, ihnen Angst einzujagen und Panik zu machen, wie die PDS es tue. Mit populistischer Verweigerung könnten die Probleme nicht gelöst werden. Auch die Ellenbogen-Politik der CDU helfe nicht weiter. Beiden Parteien dürfe das Feld nicht überlassen werden, sagt Platzeck, deshalb wolle er Ministerpräsident werden. Die Delegierten spenden stehend Beifall. Platzeck ist derjenige, der die verunsicherte Partei zum Sieg führen soll. Die Plakate, der Wahlkampf, alles ist auf ihn ausgerichtet. So ist seine Wiederwahl zum Parteichef mit einem furiosen Ergebnis auch ein Signal: Er bekommt 96 Prozent Ja-Stimmen, bei seinem Start vor vier Jahren waren es nur 80 Prozent. Matthias Platzeck ist die letzte Hoffnung der Brandenburger Sozialdemokratie.
Michael Mara
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