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Gegen Bargeld für Asylbewerber: Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sorgt mit seinem neuen Vorstoß in der Asyl-Debatte für Diskussionen. Selbst seine eigene Partei ist nicht von seinem Vorstoß begeistert.

© dpa

Brandenburg: Schröters Reflex

Innenminister erzürnt mit Forderung nach Gutscheinen für Asylbewerber die rot-rote Koalition

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Potsdam - Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat den Zeitpunkt seiner Äußerungen mit Bedacht gewählt. Am Freitag hatte er sich in den Urlaub verabschiedet, vier Wochen daheim, Zeit für Gartenarbeit, ein paar Akten durcharbeiten, dann und wann ein Ausflug, vielleicht an die Ostsee. Während sich Schröter nun erholt, hat er sich in Potsdam den Zorn seiner Landtagsfraktion, des Koalitionspartners und der Grünen zugezogen. Mit einem Vorschlag, bei dem sich viele in Potsdam an den alten Oberhavel-Landrat erinnert fühlen, an den Hardliner unter den Landräten, der bis zuletzt an den umstrittenen Gutscheinen für Asylbewerber festhielt, obwohl Land und die meisten anderen Landkreise längst Bargeld ausgereicht haben.

Nun sagte Schröter: „Wenn Armutsflüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern die Erstaufnahme nach drei Monaten verlassen, sollten sie statt Bargeld wieder Gutscheine und Sachleistungen erhalten“. Und zwar wenn sie nach drei Monaten die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung des Landes verlassen und in den Landkreisen untergebracht werden. Damit, so Schröter, soll den Schlepperbanden der Geldhahn zugedreht. Alternativ, so Schröter, sollte er Bund den bisher vorgeschriebenen maximalen Verbleib von Asylbewerbern in der Erstaufnahme von drei auf sechs Monaten ausdehnen, um Armutsflüchtlinge bereits aus der Erstaufnahme in ihre Heimatländer abzuschieben. Er sprach von schärferen Regeln, um für Menschen aus den Balkanstaaten „die wirtschaftlichen Anreize“ für die Flucht nach Deutschland herabzusetzen. „Fast die Hälfte der Ankommenden hat keinen Asylgrund. Armutsflüchtlinge vom Balkan machen inzwischen 40 Prozent der Asylbewerber aus“. Zugleich sagte Schröter: „Ich erwarte, dass man Syrer und andere Flüchtlinge mit wohl berechtigtem Asylanspruch im Verfahren vorzieht und schnell auf andere Unterkünfte verteilt.“

Die Bundesregierung hatte 2014 Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien als „sichere“ Herkunftsländer klassifiziert, um Asylbewerber von dort schneller wieder zurückschicken zu können. Wegen sehr vieler Asylsuchender aus dem Kosovo und Albanien wird nun darüber diskutiert, beide Staaten sowie Montenegro in die Liste aufzunehmen.

Kritik kam von der SPD-Fraktion sowie den Linken und den Grünen, Zustimmung dagegen von der CDU. Die SPD-Abgeordneten Sylvia Lehmann und Sören Kosanke erklärten, die Ausgabe von Gutscheinen oder Sachleistungen an Asylbewerber lehne die SPD-Fraktion ab, weil sie diskriminierend und nicht sachdienlich sei. „Die Ursachen von Armutsflucht und die Schlepperbanden müssen bekämpft werden, nicht die Flüchtlinge“, erklärte die beiden Abgeordnete. Ein längerer Verbleib in den Erstaufnahmestellen wäre keine grundsätzliche Lösung, auch wenn er Kommunen akut entlasten könnte. Verfahrenstechnisch erscheint es wenig praktikabel, in einem so frühen Stadium der Asylverfahren nach einzelnen Gruppen zu unterscheiden.“

Finanzminister Christian Görke (Linke) sagte den PNN: „Wer den Koalitionsvertrag kennt, ist auf der sicheren Seite. Denn darin heißt es, die Koalition wird sich dafür einsetzen, das überholte Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen und nicht, es zu verschärfen.“ Der Landes-Vizechef der Linken Sebastian Walter sagte, die Äußerungen Schröters seien unanständig: „Es gibt keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse.“ Schröters Forderungen kämen einer Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes gleich. „Gleichzeitig unterläuft dies den Grundgedanken des Grundrechts auf Asyl als individuelles Menschenrecht“, so Walter. Ein längerer Verbleib der Flüchtlinge in der Erstaufnahme widerspreche zudem dem Leitgedanken der Integration, sagte Walter: „Mit der Linken ist das nicht zu machen.“ In der aktuellen Situation helfe es nicht, denjenigen das Wort zu reden, „die von Armutsflüchtlingen schwadronieren“. Schröter verschärfe den Konflikt. Die Linke werde sich gegen alle stellen, „die Stammtischparolen zu Politik machen wollen, egal in welcher Funktion oder Partei sie sind“.

Die Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnenmacher sagte, die restriktive Asylpolitik, die Schröter als Landrat in Oberhavel praktiziert habe, dürfe nicht Landesmaßstab werden. „Schröter kann offensichtlich seinen Reflex, nach dem Sachleistungsprinzip zu rufen, nicht niederringen“, sagte sie. Nonnemacher Die Abgeordnete warnte den Innenminister davor, „die Eskalationsrhetorik in der Flüchtlingspolitik weiter anzuheizen und Flüchtlinge in Gut und Schlecht einzuteilen“. Bereits jetzt sehe sie die Gefahr, dass Fehler der 90er Jahre wiederholt werde.

CDU-Generalsekretär Steeven Bretz erklärte dagegen: „Den Vorschlag von Innenminister Schröter halten wir für vernünftig und unterstützenswert.“ Erstaunlich sei der plötzliche Vorstoß des Innenministers, weil er im Widerspruch zu der bisherigen Haltung der Landesregierung zu Armutsflüchtlingen stehe. „Eine konsequente Linie in der Asyl- und Flüchtlingspolitik ist bei SPD und Linke daher nicht erkennbar“, sagte Bretz.

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