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Das neue Schuljahr startet bald in Brandenburg. (Archivbild)

© Jens Kalaene/dpa

Update

Schulbeginn in Brandenburg: GEW-Chef wirft Regierung „Versagen“ vor

1000 Lehrkräfte hätten neu eingestellt werden müssen, meint GEW-Chef Günther Fuchs. Stattdessen würden 340 Stellen gestrichen. Auch die Kreiselternräte und der Pädagogen-Verband protestieren.

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Wenige Tage vor Beginn des neuen Schuljahres hat der Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Günther Fuchs, Brandenburgs SPD-BSW-Regierung ein „Versagen in der Bildungspolitik“ vorgeworfen. „Mit sehr großer Sorge“ blicke er auf den bevorstehenden Schuljahresbeginn.

„Wir haben die Situation, dass die Lehrerstellen gekürzt werden, mehr Schüler im System und die Bedingungen insgesamt schlechter geworden sind“, sagte Fuchs. „Wir hätten fast 1000 Lehrkräfte mehr einstellen müssen – aber die Lehrerstellen werden auf der alten Basis eingefroren und 340 Stellen sogar gestrichen.“ Dies sei eine alles andere als befriedigende Situation.

Aus Sicht von Fuchs erlebt Brandenburg derzeit ein „Durchschlagen der Finanzpolitik auf den Bildungsbereich“. Die, die die Krise verursacht hätten, nähmen nun noch Einsparungen vor. Die Koalition habe vor der Landtagswahl völlig andere Forderungen aufgestellt.

„Brandenburgs Schüler nehmen in bundesweiten Vergleichen ohnehin keine Spitzenpositionen ein“, sagte Fuchs unserer Redaktion. „Das wird jetzt ganz sicher nicht besser werden.“

Die Kreiselternräte von Cottbus, Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Spree-Neiße, Frankfurt (Oder) und Oberspreewald-Lausitz sprachen in einer gemeinsamen Erklärung am Montag ebenfalls von großen Unsicherheiten. „Das Bildungsministerium wird zum Schuljahresbeginn berichten, dass noch nie so viele Lehrkräfte in Brandenburgs Schulen beschäftigt waren und dass die Stundentafel, also der reguläre Unterricht gesichert ist“, prognostizierten sie.

Doch trotz einer Rekordzahl von Lehrerinnen und Lehrern, die in Brandenburg arbeiteten, werde der Lehrermangel in der Sekundarstufe noch bis 2034/35 anhalten. Dies ergebe sich aus der Schüler- und Lehrermodellrechnung des Ministeriums.

Dem Ministerium warfen die Elternvertreter vor, alle Zusatzaufgaben, wie etwa Förder- und Ganztagsunterricht, zusammenzustreichen, um die frei werdenden Stunden für den regulären Unterricht einsetzen zu können. „Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf oder mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) werden es schwerer haben“, heißt es in der Mitteilung.

Zudem mahnten sie eine Entlastung der Lehrer von überflüssiger Bürokratie an. So könnte auf die Erstellung von Statistiken verzichtet und die Reisekostenabrechnungen und die Vorschriften für die Beantragung von Klassenfahrten vereinfacht werden. Die bisher diskutierten Entlastungen wie der Verzicht auf Prüfungen am Ende der zehnten Klasse in Gymnasien, die Reduzierung von Klassenarbeiten oder weniger Entwicklungsgespräche mit Eltern und Schülern seien dagegen nicht schnell umsetzbar und hätten keinen Nutzen in der Breite.

„Zu wenige Lehrkräfte, nachlassende Betreuung von Schülern mit speziellem Förderbedarf und noch größere Klassenstärken führen schon heute und somit auch in Zukunft zu noch unzufriedeneren Lehrern, die tendenziell noch mehr auf die Möglichkeit der Teilzeit oder gar vorzeitigen Ruhestand zurückgreifen werden oder den Krankenstand erhöhen“, mahnten die Elternvertreter.

Pädagogen-Verband: „fiese Mogelpackung“

Auch der Brandenburgische Pädagogen-Verband (BPV) kritisierte die Landesregierung für ihre Bildungspolitik. Die geplante Erhöhung der Pflichtstunden für Lehrkräfte sei eine „fiese Mogelpackung“. Vize-Verbandspräsident Alexander Lipp warnte vor einem „riesigen Chaos“ an den Schulen.

Nach BPV-Angaben führt die geplante Mehrarbeit pro Lehrkraft nicht zu einem größeren Stundenkontingent an den Schulen. Stattdessen würden gleich viele Unterrichtsstunden von weniger Lehrkräften abgedeckt. Es entstehe ein Überhang an Lehrerinnen und Lehrern, die die Schulen verlassen müssen und an anderen Schulen eingesetzt werden sollen – ein sogenanntes „Umsetzungskarussell“, so Lipp. Lücken, die dabei entstehen, sollen von Vertretungs- oder Honorarkräften besetzt werden, die einerseits kostengünstiger sind, andererseits aber nicht voll ausgebildet – oft handele es sich um Studierende.

Zu Beginn des Schuljahres greifen Stellenkürzungen bereits, so BPV-Präsident Hartmut Stäker. Da das Unterrichtsangebot nicht gekürzt werden könne, werde vor allem bei „Stunden für Ganztag, für Inklusion, für Förderung oder Vertretung und so weiter“ gespart.

„Das ist eine fiese Mogelpackung, denn das bedeutet eben deutlich weniger Zeit für die Kinder, es bedeutet weniger Zeit für die Lehrkräfte, die den Schulen im laufenden Schuljahr weggenommen werden, um Geld zu sparen auf dem Rücken der Kinder“, sagte Lipp.

BPV-Vertreterin Christina Adler forderte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auf, die Bildungspolitik zur „Chefsache“ zu machen. Notwendig sei ein Gesamtplan mit allen Beteiligten. Konkret verlangt der Verband zudem eine sofortige Arbeitszeiterfassung, um die tatsächliche Belastung der Lehrkräfte transparent zu machen.

In Brandenburg ist die Zahl der Lehrerstellen im Haushalt für dieses Jahr um 345 Vollzeitstellen gesunken, auch wenn der Bildungsetat im Landeshaushalt insgesamt größer geworden ist. Die Lehrerinnen und Lehrer sollen ab dem zweiten Halbjahr eine Stunde pro Woche mehr unterrichten und dafür an anderer Stelle entlastet werden. Beides hatte für Proteste von Lehrern und Eltern gesorgt. (mit dpa)

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