Brandenburg: Schuld sind nur die Zisterzienser
In vielen sonnigen Ecken der Mark blüht der lange vergessene Weinbau wieder auf. Tom Wolfs Buch weist den Weg
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Wein ist natürlich mehr als ein Getränk. Wo er wächst, ist fruchtbares Land, die Küche blüht, die Menschen sitzen an warmen Abenden draußen entspannt beisammen, Touristen sind unterwegs, man fühlt sich wohl. Was das mit Brandenburg zu tun hat? Nicht viel bisher – aber es tut sich was. Der Klimawandel und neue, für den Norden geeignete Rebsorten haben die Lage verändert. Zwar ist Tom Wolfs Buch mit „Weinland Brandenburg“ möglicherweise noch ein wenig vollmundig betitelt. Aber was er auf über 220 Seiten zusammengetragen hat, wird auch Kenner überraschen. Es ist ganz schön was los da draußen.
Wolf, Jahrgang 1964, ist promovierter Philosoph – was möglicherweise auch mit Wein zu tun hat. Als Autor prädestiniert ist er aber vor allem deshalb, weil er in Putlitz selbst eine Rebanlage betreibt und deshalb nicht nur theoretisieren kann, sondern über Praxiserfahrung und Kontakte verfügt. In einem kurzen historischen Exkurs geht er Fakten und Theorien über den Wein in Brandenburg durch und erläutert, dass es vor allem die Zisterzienser waren, die um das 14. Jahrhundert herum die Weinkultur hier verankerten, aber auch bis zur Reformation ein Monopol behaupteten und damit die Popularisierung des Weins eher behinderten. Doch dann begann bereits die „Kleine Eiszeit“, und Brandenburg wurde Bierland, bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts die letzten Reben verschwanden.
Erste Neuanlagen gehen auf die Endzeit der DDR ab etwa 1985 zurück – aber erst die Wende brachte dem Land auch die Weinwende. In 31 Kapiteln zählt Wolf, vermutlich weitgehend lückenlos, auf, wo überall gegenwärtig in Brandenburg Wein angebaut und in nennenswerten Mengen auch vergoren und getrunken wird. Demnach befindet sich der nördlichste Weinberg der Mark in Annenwalde bei Templin – noch nördlicher wachsen nur die Trauben der Rebentreppe an der Prenzlauer Stadtmauer, die aber eben nicht als Berg gilt. Im Süden gibt es brandneue Rebanlagen in Senftenberg und vor allem im aufgelassenen Tagebaurevier in Großräschen, wo auch die einzige Steillage des Landes angelegt wurde. Ganz im Osten: Jerischke im Neiße-Malxetal. Im Westen: der Buga-Berg in Brandenburg/Havel
Auf 1993 geht der Neubeginn in Schlieben (Elbe-Elster-Kreis) zurück, wo sich ein Verein des Themas angenommen hat. Und die größte und wohl nach wie vor bekannteste Rebfläche befindet sich in Werder, am Werderaner Wachtelberg, wo 1987 die Jungfernlese der Müller-Thurgau-Reben stattfand, die einer verblüffenden Kraftanstrengung der örtlichen „Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft“ (GPG) entsprang. Manfred Lindicke, der von Anfang an dabei war und heute den Weinbaubetrieb leitet, stammt übrigens in direkter Linie von zwei Lindickes ab, die hier schon im 18. Jahrhundert Weinmeister waren.
Und wie steht es mit der Qualität? Die ist oft beachtlich, wenn auch schwer vergleichbar, weil die in Brandenburg gepflanzten Rebsorten dem Klima angepasst sind und in typischen Weinregionen kaum genutzt werden. Sie heißen Solaris, Johanniter und Pinotin, aber es gibt auch Dornfelder, Kerner, den schon erwähnten Müller-Thurgau und – so am „Langen Rücken“ in Guben – sogar Spätburgunder und Riesling.
Der Berliner Sommelier Matthias Brandweiner hat die aktuell verfügbaren Abfüllungen für das Buch verkostet. Seine Notizen heben die spezifischen Eigenschaften hervor, ohne auf die Qualität einzugehen, die zwischen „Nun ja“ und „Sehr anständig“ schwanken dürfte. Ohnehin ist es schwer, an Proben heranzukommen – am besten wohl an Ort und Stelle, wo sich Wolfs Buch auch als handlicher Reiseführer bewähren sollte.
Wie es aussieht, ist übrigens auch Berlin langsam reif für einen Weinführer. Die Suche nach einem geeigneten Autor kann kurz gehalten werden: Er heißt Tom Wolf.
Tom Wolf: Weinland Brandenburg. Ausflüge zu alten und neuen Weinorten. Be.bra-Verlag, Berlin. 224 Seiten, 224 Abbildungen, 1 Karte, 16 Euro.
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