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Brandenburg: Schulze gibt auch das SPD-Parteibuch ab

Landtagsabgeordneter sieht keine Hürden mehr für Beitritt zur Grünen-Fraktion. Die führt dafür ein Gutachten von Hasso Lieber an

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Potsdam - Der Landtagsabgeordnete Christoph Schulze verlässt nach der SPD-Fraktion nun auch die Partei, um Mitglied in der Grünen-Fraktion zu werden. Das sagte der 47-Jährige am gestrigen Dienstag in Potsdam. Details zum Austritt wollte Schulze, der die SPD im November1989 in Teltow-Fläming mitbegründet hat und bis 2009 parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion war, aber im Streit um die Flughafenpolitik in den vergangenen Jahren von der Landesparteispitze um Ministerpräsident Matthias Platzeck immer mehr abrückte und die Fraktion 2011 verließ, nicht nennen. Er wolle sich in Anstand und Würde von der SPD trennen, dazu stünden in den nächsten Wochen noch Gespräche mit verschiedenen Gremien und Ortsverbänden an, zumal er in Teltow-Fläming auch Kreistagsvorsitzender ist. „Das ist wie in einer langjährigen Ehe“, sagte Schulze. Ihm falle der Schritt nicht leicht. „Da hängt eine Menge Herzblut dran.“

Mit seinem Schritt will Schulze rechtliche Hürden für seine Mitgliedschaft in der Grünen-Fraktion aus dem Weg räumen. Bislang beharrte Landtagspräsident Gunther Fritsch zwar darauf, dass Schulzes Mitgliedschaft bei den Grünen zwingende Voraussetzung für die Aufnahme in die Grünen-Fraktion ist. Das lehnt Schulze ab: „Ich werde keiner Partei mehr beitreten.“ Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, Fritsch könne keine Zwangsmitgliedschaft bei den Grünen anordnen. Auch in Justizkreisen löste Fritschs schnelle Festlegung Verwunderung aus.

Ein Gutachten des auf Brandenburger Verfassungsrecht spezialisierten Juristen Hasso Lieber im Auftrag der Grünen-Fraktion könnte nun den Weg für einen Kompromiss ebnen und eine Auseinandersetzung vor dem Landesverfassungsgericht verhindern. Für den Fall, dass Fritsch bei seiner harten Haltung bleibt, kündigten Grünen-Fraktionschef Axel Vogel und Schulze den Gang vor das Verfassungsgericht an – bei einstweiliger Verfügung und Organklage. Eine Parlamentssprecherin sagte Dienstag zum Lieber-Gutachten: „Wir prüfen das.“ Schulze arbeitet dennoch schon in der Grünen-Fraktion mit.

Von Lieber, in den 90er-Jahren im Innenministerium für Verfassungsrecht zuständig, Leiter des Ministerbüros, später der Verfassungsschutzabteilung, von 1997 bis 2011 Justizstaatssekretär in Berlin, stammt das Grundsatzwerk zur brandenburgischen Landesverfassung, ein 738 Seiten starker Kommentar. Lieber gibt Fritsch, der sich auf den parlamentarischen Beratungsdienst beruft, insofern recht, als dass Schulze nicht Mitglied in der SPD und zugleich in der Grünen-Landtagsfraktion sein kann. Allerdings widerspricht Lieber Fritschs Auffassung, dass Schulze auch bei der Partei Bündnis 90/Die Grünen eintreten müsse. „Eine solche Voraussetzungen wäre eine verfassungswidrige Schranke für das freie Mandat nach der brandenburgischen Landesverfassung“, schreibt Lieber.

Fritsch dagegen beruft sich auf das Fraktionsgesetz, eine Brandenburger Besonderheit, die weit über die Landesverfassung hinausgeht. Nach dem Gesetzeswortlaut müssten Mitglieder einer Fraktion auch derselben Partei, politischen Vereinigung oder Listenvereinigung angehören oder von diesen als Kandidat aufgestellt worden sein. Lieber hält es zwar für fraglich, ob dieser Passus aus heutiger Sicht verfassungskonform ist. Aber der Landesverfassungsgericht hatte diese Stelle bereits 1994 in einem Urteil bestätigt, die Vertretungsfunktion und Mandatsfreiheit der Abgeordneten werde dadurch nicht verfassungswidrig eingeschränkt. Nach dem Homogenitätsgebot müssten Fraktionsmitglieder durch eine gleichgerichtete politische Grundhaltung verbunden sein. Eine Öffnungsklausel ermöglicht demnach aber auch die Bildung von Fraktionen jenseits gleicher Parteizugehörigkeit, der der Landtag zustimmen muss. Zugleich räumte das Urteil Abgeordneten den Gang vor das Verfassungsgericht gegen die Entscheidung des Landtags ein.

Lieber allerdings sieht durch die rigide Anwendung des Fraktionsgesetzes, wie sie Fritsch vornimmt, nämlich die zwingende Kopplung von Partei- und Fraktionsmitgliedschaft, das Prinzip des freien Mandats eingeschränkt – was wiederum nicht verfassungskonform sei. Auch bezweifelt Lieber, dass der Landtag überhaupt zustimmen muss, wenn ein parteiloser Abgeordneter einer anderen, bereits seit 2009 bestehenden Fraktion beitritt.

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