
© Thomas Loy
Brandenburg: Schunkelzone auf Zeit
Für einen Tag verwandelt sich das beschauliche Lübars in den „Schlager-Olymp“ – mit bis zu 30 000 Fans
Stand:
Berlin - Gerüchten zufolge leben in Lübars mehr Pferde als Menschen. Das stimmt natürlich nicht. Zählt man allerdings Hühner, Gänse, Esel, Schafe, Schwalben und den Waldkauz in der alten Kastanie hinzu, könnte sich ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Tier ergeben. Hier sei „die Welt noch in Ordnung“, zumindest aus Sicht des Waldkauzes, schreibt der Naturschutzbund auf einer Infotafel hinter der Kirche.
Doch am Samstag wird das Image des märchenhaften Lübars einer harten Belastungsprobe ausgesetzt. 20 000 Fans deutschsprachiger Gutelaunemusikanten werden zum „Schlager-Olymp“ erwartet. Zwölf Stunden lang machen Allzeitstars wie Nino de Angelo, Olaf & Hans, Chris Roberts und DJ Ötzi aus dem Freizeit- und Erholungspark Lübars eine Party- und Schunkelzone. Biertische, Bühne und Technikzelte stehen schon, ebenso zwei Klohäuschenquartiere.
Zum dritten Mal gastiert der „Schlager-Olymp“ in Lübars. Im ersten Jahr schüttete es wie aus Kübeln, und Bernhard Brink dachte, diesen Ort werde er nie mehr wiedersehen. Es kam anders. Die Stimmung im zweiten Jahr war sensationell, deshalb eben jetzt die dritte Auflage. Wobei gesagt werden muss, dass die Namensgebung hier wirklich Sinn macht. Der Erholungspark Lübars stellt tatsächlich einen Berghang dar, modelliert aus Berliner Hausmüll.
Olaf Schenk, der den Olymp organisiert hat, betont, dass es sich weniger um ein Festival, sondern eher um eine Familienfeier handele. Gegen Mittag geht’s los. Für Menschen mit Behinderung würden extra 300 Sitzplätze an der Bühne reserviert, sagt Schenk. Für Kinder gibt es eine Bastelstraße, Kinderschminken und einen Clown. Brink: „Das bin ich.“
Warum ausgerechnet Lübars zum Zentrum deutscher Schlagerkultur erkoren wurde, kann Olymp-Chef Schenk nicht mehr so genau sagen. Man habe so beim Bierchen zusammengesessen, schon ein paar Jahre her, da sei dann die Idee geboren worden, Berlin mit einem Schlagerfestival zu beglücken. Und weil Schenk schon das Strandbad Lübars gepachtet hat, lag der Erholungspark Lübars nicht mehr fern. Der Bezirk Reinickendorf habe dann sehr gut mitgeholfen.
Die Lübarser selber seien durchaus schlageraffin, sagt Schenk. Er habe die Anwohner persönlich über den kommenden Olymp informiert, Freikarten verteilt, „ein bisschen gut zugeredet“, und 90 Prozent aller kontaktierten Personen hätten ihr Kommen zugesagt. Das ist beachtlich.
Fragt man nach, zum Beispiel bei Gitta Gericke vom gleichnamigen Pferdehof, wird diese Einschätzung bestätigt. „Da wollen sehr viele hingehen.“ Im vergangenen Jahr sei die Schlagerparty sehr gesittet verlaufen, den Pferden sei die Musik jedenfalls nicht auf die Nerven gehen.
In Rufnähe zum Olymp liegt die Alte Fasanerie, eine Jugendfreizeiteinrichtung mit eigener Landwirtschaft und Tierwelt, nicht weniger idyllisch als Lübars selbst. Das Hoftor werde man am Samstag vorsorglich schließen, sagt der Leiter der Pflanzenproduktion. Damit sich angeheiterte Fans nicht in die Gemüsefelder oder den Ententeich verirren. Vor dem Tor sollen die Besucher aber mit gesundem Essen versorgt werden, vielleicht kommen sie ja ein anderes Mal wieder, ins hauseigene Restaurant.
Man darf den Schluss ziehen: Schlagerfans sind in Lübars willkommen. Allerdings erst im Spätsommer, nach der Brutzeit. Darauf haben die Vogelschützer bestanden, erzählt einer der Organisatoren. Sensible Biotope werden zum Festival eingezäunt. Bernhard Brink sagt, er wolle diesmal mit richtiger Band auftreten. Einfach so, ohne Grund. Lübars hält er einfach für eine runde Sache. Kollege Michael Wendler hat dagegen kurzfristig abgesagt, weil er in den Big-Brother-Container eingeladen wurde. Fernsehen geht vor.
Trotzdem: Lübars hat einen festen Platz im Kalender der Schlagerszene erobert. Fürs nächste Jahr sind schon jetzt 1000 Karten verkauft. Noch einen kurzen Brink-Witz dazu: „Wacken in Lübars.“ Wacken, das Heavy-Metal-Festival in dem holsteinischen Dorf, mit matschigen Feldern und geschäftstüchtigen Bauern, ist aber doch noch eine andere Dimension. 85 000 Besucher mischen den Ort jedes Jahr auf. Das Dorf ist zum Mythos geworden, auch durch einen Kinofilm.
Lübars setzt erst mal weiter auf Pferdewirtschaft und Ausflügler. Am Wochenende sei das Dorf gar nicht so ruhig wie unter der Woche, sagt eine Hofbesitzerin, die gerade Birkensamen fegt. „Halb Berlin ist dann hier.“ In der Kirche würden sich auch Neuseeländer und Amerikaner das Jawort geben. Reiterfest, Drachenfest, Strandbad-Pyronale, Adventsbasar.
Davon ließen sich die Lübarser keinesfalls aus der Ruhe bringen, meint die Frau am Besen. „Der Zusammenhalt ist hier sehr gut.“ 20 000 Schlagerfans werden daran vorerst nichts ändern.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: